Kilian Kaminski: Die Idee zu refurbed entstand als mein Co-Gründer Peter Windischhofer sich auf einer Kleinanzeigen-Plattform ein gebrauchtes iPhone kaufte, das nach nur wenigen Wochen kaputt ging – das Geld hat er damals nicht wiederbekommen. Er konnte auch keinen anderen Anbieter finden, der funktionsfähige und nachhaltige Geräte zu einem günstigen Preis verkaufte. Als er sich an refurbished Produkte erinnerte, die er während seines Studienaufenthaltes in den USA kennenlernte, war schnell klar: Es gibt eine Marktlücke in Europa! So entstand die Idee zu refurbed, einem Online-Marktplatz für vollständig erneuerte Elektrogeräte.
Als ich mit Peter über die Idee gesprochen habe, leitete ich bei Amazon in Deutschland das Certified Refurbished Program – also den Verkauf von aufbereiteten Elektroartikeln. Doch nach anderthalb Jahren war mir klar: Dieser Bereich hat bei Amazon keine Priorität. Ich wollte nachhaltig handeln. Also haben Peter und ich gemeinsam mit unserem CTO Jürgen Riedl 2017 refurbed gegründet. Unsere Mission ist es, unsere Konsumgesellschaft nachhaltig zu verändern. Natürlich sehen wir in dem Geschäft aber auch großes Potenzial.
"Das Gebrauchtgerätegeschäft könnte auch im stationären Handel funktionieren", meint refurbed-Mitgründer Kaminski
Sie ziehen bei der Vermarktung von erneuerten Elektronikprodukten Parallelen zur Modebranche. Was hat das miteinander zu tun?
Kleidung länger zu tragen und bewusster einzukaufen, ist bei den Verbrauchern bereits angekommen. Keine Modemarke kommt mehr drumherum, nachhaltigere Kollektionen anzubieten. Da ist die Modeindustrie mit ihrem Slow Fashion Movement schon einen deutlichen Schritt weiter als die Elektronikbranche. Allein in Deutschland fallen jährlich 1,6 Millionen Tonnen Elektroschrott an, weltweit sind es knapp 53 Millionen Tonnen. Das ist ein riesiger Müllberg, der jedes Jahr weiter wächst. Etwa 70 Prozent der Verbraucher tauschen ihr Smartphone nach durchschnittlich 18 Monaten durch ein neues Modell aus. Smartphones, Laptops und andere elektronische Geräte, wie smarte Haushaltsgeräte, erlauben eine viel längere Nutzung.
Laut einer aktuellen Wertgarantie Studie empfindet ein Drittel der Befragten die Reparaturkosten für Elektrogeräte grundsätzlich als zu hoch. Würden diese Kunden überhaupt Gebrauchtgeräte kaufen?
Die Umfrage ergab auch, dass Verbrauchern die Lebensdauer der Geräte sehr wichtig ist. Mit unserem Angebot verlängern wir genau diese. Es ist uns wichtig, unseren Kunden zu vermitteln, dass es nicht nur zwei Zustandskategorien gibt, also neu und gebraucht. Es gibt eine dritte: refurbished, die wie Neuware anzusehen ist. Refurbished verbindet Vorteile von gebraucht und neu. Die Vorteile von "gebraucht", weil die Preise geringer sind als bei einem Neugerät, und die Vorteile von "neu", weil der Garantieanspruch, die Funktionalität und Verwendbarkeit von einem neuen Produkt kaum zu unterscheiden sind. Wir wollen Verbraucher von refurbished Produkten überzeugen. Wir bieten zum Beispiel ein Rückgaberecht von 30 Tagen an: In dieser Phase kann das Gerät ausprobiert und kostenlos retourniert werden, sollte es beispielsweise nicht gefallen.
Eine Umfrage im Auftrag des Industrieverbandes ZVEI diesen März hat ergeben, dass 42 % schon einmal ein gebrauchtes Gerät gekauft haben, am häufigsten Smartphones. Halten Sie das für plausibel?
Über alle Kategorien hinweg halte ich die Zahl durchaus für plausibel. Das zeigt wie groß das Marktpotenzial für refubished Produkte ist. Viele Verkäufe finden derzeit noch online über An- und Verkaufsplattformen, wie eBay, statt. Käufer gehen beim Privatkauf ohne Garantie jedoch ein Risiko ein. Wir bieten Verbrauchern mit unserem Service die bessere Alternative, da sie sich sicher sein können, dass ihre Geräte nach der Aufbereitung wie neu sind.
Das Gründer-Trio von refurbed: Kilian Kaminski, Jürgen Riedl und Peter Windischhofer
Ist das Gebrauchtgerätegeschäft ein reines Online-Modell? Oder sehen Sie hier auch Potenziale für den stationären Handel?
Sicherlich könnte das auch im stationären Handel funktionieren, wenn sich Kunden direkt vor Ort von der Qualität der refurbed Geräte überzeugen können. Derzeit bietet uns der Fokus auf online jedoch den Vorteil, dass wir unsere Zielgruppe länderübergreifend ansprechen können. Damit erreichen wir Personen, die zuvor noch nicht mit dem Refurbishment Konzept vertraut waren. Mittlerweile sind wir in 13 europäischen Ländern aktiv – denn unser Ziel ist es, dass es in jedem europäischen Haushalt mindestens ein refurbished Gerät gibt.
Wieviel darf ein erneuertes Produkt im Verhältnis zum Neupreis kosten?
Wir wollen auch Kunden, die primär auf den Preis achten, von refurbished Produkten überzeugen und diese für alle zugänglich machen. Im Durchschnitt sind refurbed Produkte bis zu 40 Prozent günstiger. Bestimmte Modelle, wie das iPhone X, sind meist sogar über 50 Prozent günstiger als Neugeräte.
Welche Produktkategorien eignen sich besonders, welche nicht?
Das Tolle an der Kreislaufwirtschaft: Man kann so gut wie jedes elektronische Gerät refurbishen, wenn die Hersteller mitziehen. Von Kaffeemaschinen über Staubsauger bis zu Handys und Laptops.
Woran liegt es, dass gerade jüngere Menschen zwar auf die Marke schauen, aber offen sind für die Anschaffung gebrauchter Geräte?
Nachhaltigkeit ist ein großes Thema in der jungen Generation und Bewegungen wie Fridays for Future tragen dazu bei, sich über die Umwelt Gedanken zu machen. Der Marke kommt sicherlich noch eine Bedeutung zu, wenn es um Kategorien wie Vertrauen und Innovation geht. Inzwischen sind sich jedoch viele bewusst, dass jede Kaufentscheidung eine globale Auswirkung hat. Wenn Geräte durch das Refurbishment länger im Kreislauf bleiben, verringert dies nicht nur effektiv CO2-Emissionen, die bei der Herstellung neuer Produkte anfallen, sondern schont auch wertvolle Ressourcen und vermeidet unnötigen Elektroschrott. Außerdem wächst das Bewusstsein bei Verbrauchern, dass es nicht immer das neueste Modell sein muss. Das neueste iPhone zu besitzen ist nicht länger ein Statussymbol.
Der gebürtige Hamburger ist überzeugt: „Das neueste iPhone zu besitzen ist nicht länger ein Statussymbol."
Die Europäische Union will die Reparierbarkeit von Geräten gesetzlich vorschreiben. Ist das nicht ein massiver Eingriff in den Markt?
Das Vorhaben der EU-Kommission ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt in Richtung ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Wenn der Markt das Problem nicht selbst löst, dann muss meiner Meinung nach die Politik eingreifen. Es darf nicht länger der Fall sein, dass die Hersteller die Geräte bewusst so designen und bauen, dass diese nicht mehr reparierbar sind oder dass sie dem freien Markt keine Ersatzteile zur Verfügung stellen. An der geplanten Obsoleszenz ist schon etwas dran, ein Beispiel dafür sind fehlende Software-Updates für ältere Modelle. Aktuell ist es sehr schwer, etwas dagegen zu unternehmen. Daher finden wir es folgerichtig, dass die EU-Kommission Hersteller künftig dazu verpflichten will, Softwareupdates länger zu liefern.
Sehen Sie die Möglichkeit, auch für gebrauchte Geräte Versicherungen und Garantieverlängerungen zu vermarkten?
Auf jeden Fall! Gemeinsam mit unserem Partner Allianz Partners haben wir die erste Versicherung für refurbished Produkte in ganz Europa entwickelt und sind damit Vorreiter. Wir bieten Privat- und Geschäftskunden mit refurbed PLUS Geräteversicherungen über Allianz Partners beziehungsweise Simplesurance an. Die Versicherungen greifen bei Wasserschaden, Sturzschaden oder Diebstahl. Außerdem erhält jedes refurbed Gerät mindestens 12 und bis zu 36 Monate Garantie.
Wie alt ist Ihr Auto? Und: Haben Sie es gebraucht gekauft?
Wien hat eines der besten öffentlichen Verkehrsnetze, daher benötige ich kein Auto im Alltag. Und falls doch mal eines gebraucht wird, gibt es ja auch noch die Möglichkeit des Car-Sharings.
Herr Kaminski, vielen Dank für das Gespräch!
Gebrauchtwaren: Bei refurbed gibt es erneuerte und qualitativ hochwertige Produkte, mit einheitlichen, hohen Standards hinsichtlich Qualität, Sicherheit und Garantie
FOTOS: REFURBED
Das Gespräch führte: Joachim Dünkelmann
Dieser Artikel ist am 6. Juli 2021 erstmals erschienen in der Printausgabe von hitec Magazin, Ausgabe 7/2021.