Daniel Schiffbauer
"Aufgestautes Potenzial"

Seit sechs Jahren führt Daniel Schiffbauer das Home Entertainment-Geschäft von LG Electronics. Wie wichtig Vertrauen und partnerschaftliches Miteinander sind, durfte er schon zuvor bei Thomson und Samsung unter Beweis stellen. Zu Beginn seiner Tätigkeit bei LG hatte er beim Handel „zerschlagenes Porzellan" zu kitten, das die häufigen Managementwechsel des Unternehmens hinterlassen hatten. Die Aufbauarbeit zahlt sich jetzt aus: LG hat rund ein Viertel des TV-Marktvolumens erreicht. hitec sprach mit Schiffbauer über Innovationen, Erfolge – und die Trägheit der Masse.
hitec: Herr Schiffbauer, der Markt schwächelt, aber bei LG herrscht Feierlaune. Woran liegt das?

Daniel Schiffbauer: Man hat es in Las Vegas schon gesehen: Wir feiern 10 Jahre OLED. Wir haben noch ein zweites Jubiläum, nämlich 5 Jahre Sieger bei der Stiftung Warentest. Unter den 10 besten Fernsehern sind exakt 10 LG OLED-TVs. Diese Qualität hat natürlich einen großen Anteil an unserer Erfolgsgeschichte. Wenn man die Meilensteine Revue passieren lässt, erinnert man sich an Innovationen wie den ersten hauchdünnen Wallpaper, den Rollable, das erste 8K-Modell und den Flex mit 20 Krümmungsstufen. Entscheidend für unseren Markterfolg ist jedoch die hervorragende Bildqualität unserer OLED-TVs.

Das hat Verbraucher und Händler aber nicht sofort überzeugt, oder?

Als wir mit den ersten 4K-OLED-Geräten auf den Markt kamen, haben viele Händler damals gesagt: „Ich warte erstmal ab". Das Vertrauen war bei den Handelspartnern nicht sehr hoch, weil sie in der Vergangenheit viele Auf's und Ab's erlebt haben, Managementwechsel und auch Strategiewechsel. Wir sind seitdem kontinuierlich, gesund, stabil und substanziell gewachsen. Mittlerweile haben wir fast 25 Prozent Wertmarktanteil bei Fernsehern erreicht und waren sogar schon mal fünf Wochen und im Monat November 2022 die Nummer Eins im Markt.


„Wir haben 2024 theoretisch ein aufgestautes Potenzial von fast 9 Millionen Fernsehern", sagt Daniel Schiffbauer von LG Electronics

Da das Thema OLED seit Jahren überragend funktioniert, sind wir in letzter Zeit kontinuierlich bis zu dieser Steighöhe gewachsen. Jetzt möchten wir konsolidieren und die Infrastruktur ausbauen. Die 25 ist für mich eine goldene Zahl und für LG eine erfreuliche Größe, bei der wir mindestens bleiben wollen und von der wir nichts abgeben wollen. Etwas mehr darf es natürlich immer sein. Bei schnellem Wachstum bleiben aber bestimmte Dinge zurück, weshalb wir qualitativ aufholen müssen.

Hört sich fast so an, als wären Sie mit dem Status quo zufrieden?

Wir haben jedenfalls einen sehr vernünftigen Businessplan für 2023. Und dieser Plan baut auf dem letzten Jahr auf, das bekanntlich sehr schwierig war. Ziel ist es, nicht höhere, sondern bessere Umsätze zu machen – vor allem im Premium-Segment. In einem rückläufigen oder stagnierenden Markt macht es einfach Sinn, höherwertig zu verkaufen und die von Kundenseite nachgefragten Stückzahlen möglichst wertorientiert zu bedienen. In diesem Jahr geht es nicht darum, zwingend mehr Stückzahlen oder mehr Umsatz zu machen. Es geht darum, mehr Geld zu verdienen. Wir machen nichts Verrücktes und fahren auf Sicht.

Damit ist auch das Management im Headquarter zufrieden?

Man unterstellt ja gerne, dass man das Heil im Wachstum findet. In erster Linie arbeiten wir aber alle für Ertrag. Der deutsche Markt ist der engste und härteste Multi-Marken-Markt und immer noch der dezentralste Markt der Welt. Die Entscheidung, wie stark man hier wachsen will, entscheidet auch über die Profitabilität. So gesehen war unser Wachstumskurs nicht immer nur zum Freuen. Im letzten Jahr hatten wir zum Beispiel besonders schwierige Verhältnisse durch den Wechselkurs.


Im Rahmen der LG Convention 2023 in Frankfurt präsentierte LG das neue TV-Line-up, inklusive der neuen LG OLED evo G3-Serie

Wir haben auch gelernt, eine Rolle zu spielen, bei der an uns keiner mehr vorbeikommt. An der eigenen Qualität zu arbeiten heißt ja auch, dass die Prozesse und Strukturen in Service und Verwaltung aufholen müssen. Dass wir heute 3-mal mehr Umsatz machen heißt nicht, dass ich 3-mal mehr Leute einstellen kann. Und nochmal: Wir haben für dieses Jahr eine sehr vernünftige Planung.

Unabhängig von LG: Wie wird sich die OLED-Technologie insgesamt entwickeln?

Insgesamt steht OLED heute etwa für ein Drittel des Marktes, im vierten Quartal des vergangenen Jahres hatte OLED sogar einen Wertanteil vom TV-Geschäft von 40 Prozent. Vor allem im Premium-Segment sehe ich damit das Ende der Fahnenstange aber noch lange nicht als erreicht an.

Wir haben in Deutschland derzeit etwa 700.000 Haushalte, die einen Fernseher oberhalb von 1.000 Euro kaufen. Das kann man ein wenig nach oben ziehen, aber die Stückzahlen im Premium-Bereich sind nicht beliebig steigerbar. Allein schon aufgrund der vorhandenen Kaufkraft. Von diesen 700.000 wollen wir selbstverständlich die Mehrheit für unsere OLED-Fernseher begeistern. Aber viel mehr macht auch keinen Sinn, weil wir wissen, dass kein Händler ausschließlich LG-Fernseher verkaufen möchte und eine gewisse Marken-Auswahl braucht.

Was gibt der TV-Markt in diesem Jahr her?

Eigentlich ist es eine einfache Formel. Wir haben 43 Millionen Haushalte und die brauchen alle 7 Jahre einen neuen Fernseher. Das macht 6,1 Millionen Stück pro Jahr. Aus dieser Logik heraus haben wir 2020, also im ersten Corona-Jahr mit seinem Cocooning-Trend, den Markt deutlich über dem normalen Bedarf mit Fernsehern ausgestattet. Das waren vorweggenommene Käufe. Die hat sich der Markt wieder zurückgeholt mit einem deutlichen Minus im Folgejahr. Dann kam das Jahr 2022 mit einem massiven Einbruch auf ein Niveau weit unter dem eigentlichen Bedarf.


„Das Ziel ist es, nicht höhere, sondern bessere Umsätze zu machen – vor allem im Premium-Segment", beschreibt Daniel Schiffbauer die LG-Ziele

Ich gehe mal davon aus, dass März bis Dezember in diesem Jahr genauso flach verlaufen, wie im vergangenen Jahr, da es keine externen Impulse gibt. Das Thema Energie, Inflation und Kostendruck ist nach wie vor da. Wir haben kein Sportevent und wissen alle, was an Reisen gebucht worden ist. Reisen ist extrem teuer geworden. Aber das scheint den Menschen in diesem Jahr wichtiger zu sein, als ein neuer Fernseher.

Und wann löst sich dieser Stau auf?

Wenn ich das hochrechne, dann haben wir 2024 theoretisch ein aufgestautes Potenzial von fast 9 Millionen Fernsehern – weil in den beiden Jahren davor 2,9 Millionen Stück nicht gekauft worden sind. Hier schlummert richtig viel Nachfrage im Markt. Bis es so weit ist, heißt es ruhig bleiben und so hochwertig wie möglich verkaufen.

9 Millionen Fernseher im Jahr gab es erst ein einziges Mal ...

... und das werden wir wohl auch nicht wieder erreichen. Aber es kommt ein neuer Aufschwung und der kommt spätestens im kommenden Jahr. Ich finde es deshalb wichtig, dem Handel zu erklären, dass wir zwei Jahre lang ein Potenzial von Millionen Geräten haben liegen lassen, die jetzt irgendwann gekauft werden. Es könnte auch passieren, dass sich dieser Knoten schon früher löst und wir die Flat-Situation im Markt schon im dritten Tertial dieses Jahres verlassen.

Das heißt, Sie bereiten sich auf eine heiße „Black Week" vor?

Diese Aktivierung des Endverbrauchers durch den Handel ist sicher auf einen festen Zeitpunkt bezogen über alle Hersteller und Produktgruppen hinweg zusätzlich umsatzfördernd. Was ich aber sagen will, ist etwas anderes: Erst, wenn der Sommer zu Ende geht und man sich wieder mehr im Wohnzimmer aufhält, befasst man sich stärker mit dem Thema Fernsehen. Und der aufgestaute Bedarf ist da - für den Handel könnte es also eine lohnende Anstrengung sein, dieses Potenzial nicht erst in 2024, sondern schon früher zu erschließen.


Einfache Konnektivität mit LG Soundbars: Die diesjährigen LG OLED TVs machen die Verbindung einfach

Nur über den Handel? Wie stehen sie zum Direktvertrieb?

Eigene Läden oder Mono-Marken-Stores sind nicht geplant. Für den Onlineverkauf auf unserer Homepage haben wir nur geringe Planumsätze. Einige Wettbewerber betreiben das sehr professionell, für uns ist es eine notwendige Marketingplattform. Stand heute legen wir keinen bemerkenswert hohen Fokus auf Eigenumsätze.

Sie waren auf der KOOP in Berlin und haben wenige Tage später ihre LG Convention in Frankfurt durchgeführt. Wie geht das zusammen?

Beides ist für uns wichtig. Bis zur KOOP haben wir uns um das alte Sortiment und den sauberen Abverkauf gekümmert, seit der LG Convention reden wir nur noch über das neue Line-up. Ich mag das KOOP-Format, es ist ein wenig wie eine kleine IFA. Rund 90 Prozent der Händler von expert und Euronics waren da. Wir hatten ausschließlich gute Gespräche und es herrschte gute Stimmung. Man sollte aber eventuell auf 2-3 Tage verkürzen und die Händler beider Kooperationen gleichzeitig auf die Messe lassen. Zu unserer Convention hatten wir über 1.000 Einzelregistrierungen und das Feedback ist überragend. Die Location und die Stadion-Atmosphäre kamen sehr gut an, auch bei vielen kooperierten Partnern, die das erste oder zweite Mal dabei waren. Auf unserer Convention stellen wir ausführlich unsere Neuheiten vor.

Was steht beim Sortiment im Mittelpunkt?

Ein Thema, das wir im Rahmen der LG Convention stark betont haben, ist das Thema Soundbar. Auch hier haben wir tolle Testergebnisse erzielt und neben wertigem Material natürlich eine hohe Soundqualität. Wer hätte das vor fünf Jahren gedacht, dass die meistverkaufte LG Soundbar eine Preisempfehlung von fast 1.700 Euro hat? Hier gehen wir jetzt mit der passenden Soundbar zur OLED C-Serie noch einen Schritt weiter und werden den Bereich durch vielfältige Marketing-Aktionen deutlich beleben.


Die C3-Serie von LG bietet mit insgesamt sechs Bildschirmgrößen die größte Auswahl der 2023er OLED-Modellreihen

Außerdem haben wir natürlich unsere neue TV-Range präsentiert. LG hat das größte Line-up an OLED-TV-Geräten. Basis für die Bildqualität ist unser pfeilschneller α9 Gen 6 Prozessor in Verbindung mit dem besten Betriebssystem. Dazu kommt die neueste OLED evo Technologie mit Brightness Booster und einer neuen Light Control Architecture, die gemeinsam bis zu 70 Prozent mehr Helligkeit bringen.

Wie präsentieren Sie sich auf der IFA in Berlin?

Die grundsätzlichen Planungen für die IFA liegen in den Händen der Zentrale in Korea. Dies wird zu einem späteren Zeitpunkt kommuniziert. Ich persönlich bin ein Fan der IFA und freue mich schon darauf.

Herr Schiffbauer, vielen Dank für das Gespräch.

FOTOS: LG ELECTRONICS

Autor: Joachim Dünkelmann

Dieser Artikel ist am 4. April 2023 erstmals erschienen in der Printausgabe von hitec Magazin, Ausgabe 4 / 2023.

 

Schlagwörter

Daniel Schiffbauer, LG Electronics, LG

Teilen