Carine Chardon
"Alles aus einer Hand"

Gut 150 Tage ist sie im Amt: Zum 1. September 2023 hat Carine Lea Chardon zusätzlich zum Fachverband Consumer Electronics und der Bereichsleitung Consumer auch die Geschäftsführung der Fachverbände Elektro-Haushalt-Großgeräte und Elektro-Haushalt-Kleingeräte übernommen. Seitdem verantwortet die studierte Medienrechtlerin die drei zentralen Konsumgüter-Fachbereiche im Herstellerverband ZVEI. Mit der hitec-Redaktion machte Chardon eine Bestandsaufnahme.
hitec: Frau Chardon, wie schmeckt die Lobbyarbeit in Ampelzeiten? Kommt die grüne Regierungsbeteiligung und die Energiewende der Hausgerätebranche entgegen?

Carine Chardon: Grundsätzlich liegen Elektro-Hausgeräte in Zeiten der Elektrifizierung natürlich voll im Trend. Ganz so spürbar wie bei der Heiztechnik sind die politischen Impulse durch die Energiewende für die Hausgerätebranche allerdings nicht. Die Steigerung der Energieeffizienz bei Hausgeräten ist ja auch nichts neues, sondern wird von den Unternehmen kontinuierlich seit Jahrzehnten vorangetrieben. Sicherlich sind die Käufer von Haushaltsgeräten aber seit der Energiekrise und aufgrund gestiegener Energiekosten im letzten Jahr noch aufmerksamer, was das Thema Energieverbrauch betrifft. Das Energielabel ist gut verankert bei den Konsumentinnen und Konsumenten und schon länger ein relevantes Kaufkriterium. Konkret scheint die Energiewende als Anlass für einen Gerätetausch nicht so ausschlaggebend. Dabei lohnt der Tausch gerade deutlich älterer Geräte durchaus. Gleichzeitig mit den Anforderungen an das Ökodesign fokussiert unsere Branche zunehmend auch auf Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit. Entsprechend ist ein Gerätetausch nicht per se die ökologischste Maßnahme.

Hat man in Berlin und Brüssel jetzt nicht offenere Ohren in Bezug auf die Argumente unserer stromsparenden Branche?

Das Thema Energiewende wird nach meiner Wahrnehmung in den Regierungskreisen übergreifender betrachtet, weniger auf Produktebene – von Wärmepumpen einmal angesehen. Es geht dabei auch vielfach um neue Elektrifizierungsprozesse. Da unsere Branche, wie beschrieben, schon seit vielen Jahren an der Energieeffizienz schraubt, stehen wir weniger im „Rampenlicht", auch wenn die kontinuierliche Einsparung von Energie, oder auch Wasser, durchaus einen relevanten Impact hat – sowohl für die Umwelt als auch für den Geldbeutel der Konsumenten. Was unsere Industrie betrifft, richtet sich die Aufmerksamkeit der Politik im Moment eher auf die Themen Langlebigkeit und Reparierbarkeit.

Beim Recht auf Reparatur liegen die Positionen auf dem Tisch. Wo gibt es im Richtlinienentwurf noch Reizthemen?

Gegenüber dem Kommissionsentwurf hat sich die Version aus dem Parlamentsplenum erwartungsgemäß verschlechtert. Es gibt ein paar Punkte, die aus unserer Sicht noch nicht so recht passen, etwa die Verlängerung der Gewährleistung nach einer Erstreparatur. Ist es richtig und verhältnismäßig, im Falle der Reparatur eines Mangels die Gewährleistung für das gesamte Gerät zu verlängern? Das ließe außer Acht, dass das Gerät dem allgemeinen Verschleiß und der pfleglichen Handhabung durch die Nutzer unterliegt. Unsere Forderung hierzu ist klar: Der Gewährleistungszeitraum darf bei Reparatur lediglich in Bezug auf das getauschte Ersatzteilverlängert werden.

Es gibt ja eine ganze Reihe von Pflichten, die das Recht auf Reparatur insbesondere der Industrie auferlegt: Suchmaschinen, Datenbanken, Verbraucherinformation – macht es da Sinn, mit dem Handel zu kooperieren?

Es gibt noch einige Unklarheiten, was alles auf uns zukommt. Wird zum Beispiel die geforderte Reparaturplattform europäisch oder national organisiert? Es wird aber deutlich, dass es an Industrie, Handel und Handwerk liegen wird, die Reparatur (wieder) verstärkt in die Kultur der Verbraucherinnen und Verbraucher zu verankern und unsere Kunden dabei bestmöglich zu unterstützen – mittels Transparenz, Beratung und Service. Da liegt es nahe, gemeinschaftlich und Hand in Hand zu agieren. Industrie, Handel und auch das Handwerk rücken damit ein Stück weit näher zusammen. Kooperation und Austausch sind also durchaus denkbar, immer vorausgesetzt, der Wettbewerb bleibt fair und wird im Sinne der Kunden gestärkt.

Es hätte aber auch schlimmer kommen können, oder?

Warten wir ab, wie allein der Bürokratieaufwand, der durch einheitliche Reparaturformulare und neue Plattformen geschaffen wird, im Verhältnis zu den gesetzten Zielen steht. Je nach Größe und Organisation der Unternehmen sind allein solche Maßnahmen belastend und binden wichtige Ressourcen, die – auch mit Blick auf Nachhaltigkeitsanstrengungen - besser in Forschung, Entwicklung oder After-Sales und Service-Maßnahmen investiert wären. Die Vielzahl der bürokratischen Anforderungen und Reporting-Pflichten, die derzeit auf die Unternehmen einprasseln, sind enorm und stehen teilweise sogar im Widerspruch zu den Zielen. Etwas was den CO2 Grenzausgleich-Mechanismus„ kurz „CBAM" betrifft. Hierdurch werden nach aktuellem Stand aus Nachhaltigkeits-Erwägungen heraus Unternehmen mit europäischem Produktionsstandort gegenüber reinen Importeuren von Waren benachteiligt und durch umfangreiche Berichtspflichten massiv belastet. Bei aller Notwendigkeit für Nachhaltigkeit sollte nicht vergessen werden, dass Wertschöpfung, Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sind für den Wirtschaftsstandort Europa, Stichwort Deindustrialisierung.

Ist bei Ersatzteilverfügbarkeit und Wiederverwendung unsere Branche nicht eigentlich Vorreiter?

Verglichen mit anderen Industrien braucht sich unsere Branche sicher nicht zu verstecken. Nicht nur beim Ökodesign, sondern auch der Kreislaufwirtschaft, sprich Altgeräteentsorgung und Recycling, sind unsere Unternehmen seit Jahrzehnten committed. Zirkularität ist besonders relevant, weil erforderliche Rohstoffe somit wieder gewonnen und in den Kreislauf zurückgebracht werden – und damit eben auch nachhaltig.

Darüber hinaus werden laufend innovative Geschäftsideen ausgelotet, die auf Nachhaltigkeit, Flexibilität und Kundenorientierung setzen, etwa durch Refurbished- oder Leasing-Modelle. Ich sehe unsere Branche als verantwortungsbewusst, innovationsoffen und stark kundenorientiert. So werden sich abzeichnende regulatorischen Vorgaben frühzeitig beobachtet und aufgegriffen.

Welche Rolle spielt der Verbraucher beim „Recht auf Reparatur"?

Ganz klar, ohne die Verbraucher geht es nicht. Reparaturkultur lässt sich nicht mal eben per Gesetz steuern. Wir – Industrie, Handel und Handwerk – schaffen die Strukturen und technischen Voraussetzungen für Reparatur und Langlebigkeit. Und dann sind die Bürgerinnen und Bürger gefragt. Das erfordert auch eine Änderung des Mindsets –weniger Wegwerfkultur und „Geiz ist geil"-Mentalität. Hierfür sind breit angelegte und kontinuierliche Kommunikationskampagnen erforderlich, um bisherige Denk- und Verhaltensmuster zu durchbrechen. Neben gesetzlichen Auflagen wird also die Konsumentenkommunikation entscheidend sein. Ich denke, auch hier lohnt es sich, wenn Industrie und Handel an einem Strang ziehen, denn aus Wahrnehmung der Kunden heraus sind wir zwei Seiten einer Medaille.

Was treibt im Moment den Hausgerätemarkt – nach wie vor Energieeffizienz?

Vieles haben wir schon erwähnt. Neben Energieeffizienz treten zahlreiche andere Aspekte: Ressourceneffizienz insgesamt, Recycling, Reparierbarkeit, Langlebigkeit, bis hin zu Hausvernetzung, „Smartifizierung" und Einsatz von KI. Nachhaltigkeit als Überbegriff passt da ganz gut. Dazu gehören künftig auch verstärkt Fragen der Produktionsbedingungen und Lieferketten. Was uns besonders umtreibt, ist die Schwächung des Binnenmarktes. Ich meine insbesondere Vorschriften, die von Nationalstaaten erlassen werden und dem freien Warenverkehr entgegenstehen. Die Europäische Gemeinschaft bzw. später EU wurde geschaffen mit dem Ziel, die Grenzen in Europa für den Handel abzubauen und übergreifende Vorgaben sollen für fairen Wettbewerb und ein „level playing field" sorgen. Heute sehen wir leider wieder mehr Einzelvorgaben von Nationalstaaten, wie den Reparaturindex in Frankreich. Das steht der europäischen Idee entgehen und erschwert den länderübergreifenden Handel für die Unternehmen. Daher setzt sich der ZVEI dafür ein, Initiativen wie den Reparaturindex nicht auf Ebene der Einzelstaaten, sondern stets EU-übergreifend zu diskutieren und auszugestalten.

Aus Lobbyisten-Sicht betrachtet: Was unterscheidet die Hausgeräte von der Konsumelektronik?

Anders als bei der Unterhaltungselektronik bleibt die Hausgeräteindustrie von deutschen und europäischen Unternehmen geprägt. Damit einher geht auch ein besonderes Interesse der Politik an unserer Branche. Investitionen, Forschung und Entwicklung sowie Produktion finden in Europa statt, damit einher gehen Arbeitsplätze und Wertschöpfung.

Die Unternehmen der Elektrohausgeräte sind, nach meinem Empfinden, auch noch eine Spur traditioneller. Auch spannend ist der große Mittelstandsanteil, der gerade den Bereich der Haushaltskleingeräte auszeichnet. Insgesamt ist die Hausgeräteindustrie eine selbstbewusste, vielfältige und innovative Branche. Das finde ich bemerkenswert. 

Davon abgesehen gibt es zwischen Konsumelektronik und Hausgeräten viele Berührungspunkte und verbundene Themen sowie deutliche Übereinstimmung in den Positionen und Zielen. Insofern macht es auch Sinn, dass unsere drei Konsumgüter-Fachverbände im ZVEI zusammenrücken.

Ist die Hausgeräte-Branche weiblicher?

(lacht) Die Hausgerätebranche ist nicht gerade weiblich, ebenso wenig wie die Consumer Electronics-Branche. Allerdings kann ich sagen, dass sich der Bereich Consumer im ZVEI in den letzten Jahren zum All-Girls-Team entwickelt hat, mit echten Power-Frauen, auf die ich sehr stolz bin. Wir weichen damit – übrigens auch im ZVEI – deutlich von der Norm ab.

Sind Sie ein IFA-Fan?

Ich bin IFA-Fan seit 2008, meiner ersten IFA überhaupt. Passenderweise war dies auch die erste IFA mit der weißen Ware. Ich habe also die beachtliche Entwicklung der Hausgeräte auf der IFA ganz gut mitverfolgt. Heute sind die Hausgeräte ein klarer Publikumsmagnet und nicht mehr von der Messe wegzudenken. Ich bin aber auch Berlin-Fan und daher froh, dass sich die Wogen der letzten Jahre insoweit geglättet haben, dass die IFA sich langfristig zum Messeplatz Berlin bekennt. Damit können sich nun alle darauf konzentrieren, die richtigen Weichen für die Zukunft unserer beliebten Leitmesse zu stellen. Ich schaue insofern zuversichtlich und gespannt auf die IFA 2024 und freue mich auf das große Jubiläum anlässlich 100 Jahre IFA. Das alleine schafft wertvolle Impulse für die Messe und die Aussteller. Ich bin auch gespannt auf die Akzente, die das neue IFA-Management setzen wird und denke, dass Leif Lindner und sein Team neue Ideen und einen neuen Stil einbringen und Kundenorientierung wieder groß schreiben. Das ist wichtig für unsere ZVEI-Mitglieder, die einen Großteil der Aussteller ausmachen.

Was wird aus Verbandssicht die größte Herausforderung in 2024?

Wie erwähnt, liegt eine zentrale Herausforderung in der Wahrung des Binnenmarktes mit einheitlichen Regeln und Wettbewerbsbedingungen. Außerdem fordern uns die Vielzahl an Regulierungen und die insgesamt steigende Regelungsintensität in ihrer Kleinteiligkeit und den teils zuwiderlaufende Zielen massiv: Das gilt für alle Unternehmen, aber für kleine und mittelständische Betriebe ganz besonders. Wir machen uns nichts vor: Der „Regulierungs-Tsunami" aus Brüssel geht weiter. Allerdings stehen im Sommer erstmal die Wahlen des Europaparlaments an. Der Ausgang der Wahlen und die neue Konstellation im Parlament und der Kommission werden spannend und von hoher Bedeutung für uns alle – Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen.

Worauf freuen Sie sich im neuen Jahr?

Ich freue mich auf die hundertjährige IFA in Berlin. Ich freue mich auf die Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land. Und ich freue mich darauf, mit dem neu konstituierten ZVEI-Team Consumer Gas zu geben, Ideen zu entwickeln und mich weiter für unsere Mitglieder einzusetzen.

Frau Chardon, vielen Dank für das Gespräch.

FOTOS: ZVEI, MARKUS SCHÜLLER

Autor: Joachim Dünkelmann

 

Schlagwörter

Carine Chardon, ZVEI, Bereichsleitung Consumer

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