expert-Bilanz
"Weniger ist mehr!"

Die einfachen Wahrheiten sind manchmal die besten. So erntete Dr. Stefan Müller, Vorstandsvorsitzender der expert SE, bei der Erörterung der expert-Bilanz keinen Widerspruch: „Beim Umsatz hätten wir uns mehr erhofft. Aber der Handel lebt nicht vom Umsatz, sondern vom Ergebnis. Damit können wir zufrieden sein."
Die expert-Gruppe hat im Geschäftsjahr 2018/2019 einen Innenumsatz zu Industrieabgabepreisen ohne Mehrwertsteuer von 2,14 Mrd. Euro erwirtschaftet – ein Minus von einem halben Prozent. Aber: Die Gesamtbonusausschüttung konnte von 203,9 Mio. im Vorjahr auf 212,8 Mio. Euro erhöht werden. Das sind 12,2 % des jahresbonuspflichtigen Umsatzes (Vorjahr: 11,7 %). Bei der diesjährigen Hauptversammlung wird den expert-Gesellschaftern eine Dividende in Höhe von 235,50 Euro pro Aktie vorgeschlagen – wie im Vorjahr eine Verzinsung von 9,21 %. Last but not least: Die Eigenkapitalquote der expert SE stieg erneut von 37 auf 37,1 %. Was will man bei diesen Zahlen meckern? Nichts, findet auch der für die Finanzen verantwortliche Vorstand Gerd-Christian Hesse: „Das Resultat stimmt. Wir haben eine deutliche Ergebnissteigerung trotz leichter Umsatzrückgänge erreicht. Die Ausschüttung ist für unsere Gesellschafter überlebenswichtig, denn sie ist Teil der erwirtschafteten Spanne. Darauf liegt unser Schwerpunkt."

Potenziale heben

Beim Blick auf die Details geben sich die Langenhagener selbstkritisch. Vorstands-Chef Müller: „Letztes Jahr ist für die gesamte Branche nicht so verlaufen, wie wir es erwartet haben. Für expert ist es trotzdem ein sehr erfolgreiches Wirtschaftsjahr. Wir werden weiter investieren, um mit der Entwicklung Schritt zu halten. Ja, wir haben Marktanteile verloren, aber weniger als noch im Frühjahr prognostiziert. Wir haben den Trend gedreht: Von Januar bis April entwickeln wir uns wieder deutlich besser als der Markt." Vor allem bei den „bekannten Schwächen" hat die Verbundgruppe deutlich nachgesteuert. Die Außenumsätze im Geschäftsjahr gingen bei Informationstechnologie um 7,3 % zurück, der Gesamtmarkt schrumpfte nur um 2 %. Bei Telekommunikation sieht es noch gröber aus: Die expert-Umsätze schrumpften um 0,6 %, während der Markt um 8,6 % zulegte.

Zumindest bei Telekommunikation greifen die Konzepte: Von Januar bis April legte expert hier um 6,5 % zu (Markt -1,6 %). Hier zeigt sich Frank Harder begeistert, wie schnell die Gesellschafter auf die neuen Konzepte einsteigen. Harder: „Die Lücken im Bereich IT, TK und neue Medien konnten wir zwischenzeitlich schließen. Gerade im Bereich Telekommunikation haben wir uns personell verstärkt und andere Einkaufsquellen beispielsweise über Distributoren genutzt. Der Erfolg der Maßnahmen hat sich eingestellt: Hier haben wir uns seitdem wesentlich besser entwickelt, was ein Erfolg von Gesellschaftern und Regiebetrieben gleichermaßen ist. Auch die Services rund um das Smartphone wie Altgeräteankauf, Datenmanagement und Sofortreparatur kommen sehr gut an. Seit dem 1.7. bieten wir durch unsere Partnerschaft mit mobilcom-debitel zudem auch Einstiegstarife an. Bei Telekommunikation ist der Turnaround geschafft. Wir glauben daran, dass bis zur Gesellschafterversammlung im Herbst auch im IT-Bereich unsere neuen Konzepte greifen werden."

Zuwachs und Wachstum

Die Vorfreude auf neue Gesellschafter kann man sich kaum verkneifen: Noch seien die Verträge nicht spruchreif – aber fast. Müller: „Im begonnenen Wirtschaftsjahr wird die Zahl unserer Fachmärkte sicher um 8 neue Standorte wachsen. Es handelt sich sowohl um neue Standorte von Gesellschaftern als auch um Zugänge von bislang falsch kooperierten Unternehmen." Als tragende Säule bleiben die „Regiebetriebe" der expert Wachstums- und Beteiligungs SE fester Bestandteil der Strategie. So hat die Zentrale zum Ende des letzten Wirtschaftsjahres 100 % der Anteile von Bening übernommen. Die 27 Standorte wurden auf das expert-Warenwirtschaftssystem umgestellt. Die Zahl der Regiebetriebe blieb insgesamt mit 62 gegenüber dem Vorjahr unverändert, das Umsatzminus der eWB lag jedoch im Geschäftsjahr bei 2,4 %. Dazu Müller: „Nach der Aufbauarbeit in den ersten 6 Jahren macht das Einzelhandelsgeschäft der eWB bis heute wirklich Spaß. Es handelt sich um ausnahmslos ertragsstarke Unternehmen, die zum Konzernergebnis wesentlich mit beitragen. Außerdem profitieren wir von der Nähe zum Geschäft."

Die „Dauerbaustelle" E-Commerce sieht man bei expert mittlerweile auf dem richtigen Weg. Müller: „Wesentlicher Schritt im E-Commerce war im November der Start des zentralen Onlineshops. Die Kombination von regional und überregional im Konzept funktioniert." Getreu der aktuellen Kampagne „Extra persönlich statt gewöhnlich" bietet man auch online das ganze Dienstleistungsportfolio an. Harder erörtert: „Das Ziel für den zentralen Onlineshop ist ein Umsatz von 200 Mio. Euro, was etwa 8 % vom Gesamtumsatz entspricht. Dieses Ziel wollen wir in zwei bis zweieinhalb Jahren erreichen. Wir werden die Anstrengungen hier sukzessive hochfahren. Wir sind gut auf dem Weg und die Prozesse funktionieren. Schon jetzt verzeichnen wir nennenswerte Umsätze, wollen hierzu derzeit jedoch keine konkreten Angaben machen." Neben dem Konzept liege der Dreh und Angelpunkt des Online-Erfolgs auch in den Köpfen, so Harder: „Das Verständnis bei allen Gesellschaftern und Mitarbeitern in der Zentrale ist gereift und vorhanden, dass der Kunde hybrid ist. Unser Hauptziel bleibt es, den Kunden in den Laden zu führen. Aber gleichzeitig müssen wir auch einen perfekten Lieferservice bieten. Das ist nun mal Pflicht."

Mehr Geschwindigkeit

Was bringt die Zukunft? Neben dem Ausbau von Dienstleistungen und Services nimmt expert auch ergänzende Sortimente von E-Mobility bis Gaming ins Visier. Entscheidender Punkt ist die massive Investition in neue Logistik. Der erste Spatenstich soll schon im Herbst 2019 gesetzt werden. Müller: „Wir werden am Standort Langenhagen neue Logistik aufbauen, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Wir brauchen eine automatisierte Logistik, die uns in die Lage versetzt, als Großhändler und im Online-Geschäft wettbewerbsfähig zu sein. Ziel ist es, das neue Lager zur Saison 2021 unter Volllast zu betreiben." Und auch an anderer Stelle will die Verbundgruppe aufs Gas gehen: Eine höhere Umsetzungsgeschwindigkeit bei neuen Konzepten steht auf dem Plan. Müller: „Wir werden uns künftig noch stärker mit unseren Partnern auf Lieferantenseite vernetzen und enger kooperieren, um schneller und effizienter zu werden. Wir müssen eine höhere Geschwindigkeit bei der Umsetzung von Konzepten bekommen, weil sich die Erwartung der Kunden rasant ändert. Deshalb freuen wir uns, dass die expert-Gesellschafter wie im Bereich Telekommunikation in kürzester Zeit mitziehen." Nur bei einem Punkt werden die Lieferantenpartner „mehr Speed" vermissen: Die Bemühungen für 2020 gingen nicht auf – die gemeinsame Kooperationsmesse mit Euronics in Berlin wird es doch erst in 2021 geben ...

(FOTO: HITEC, GFAFIKEN: EXPERT)

Autor: Joachim Dünkelmann

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