Udo Knauf: Der Start war auf Grund der schwierigen Rahmenbedingungen bedingt durch den Corona-Lockdown dahingehend schwierig, dass man die meisten Antrittsgespräche über Video-Meetings online gestalten musste. Die Einarbeitungszeit in den Monaten März und April, in denen Franz Schnur mir mit seiner extremen Erfahrung sehr hilfreich noch in Mainz zur Verfügung stand, war sehr wertvoll. Viele Beteiligte, wie Gesellschafter, telering- Mitglieder und Partner habe ich in den vergangenen Monaten, in den sich die Situation erfreulicherweise entspannt hat, inzwischen auch persönlich besuchen können. Der persönliche Kontakt mit den Menschen ist mir wichtig.
Haben Sie in Mainz schon den Durchblick?
Es gibt einige Gremien bei telering und Weltfunk, die die Kooperation und den Großhandel koordinieren. Aber das war mir nicht neu und von meiner Zeit auf Industrieseite in der Zusammenarbeit mit telering schon bekannt. Ich habe einen enormen Respekt vor der Arbeit von Franz Schnur, der dies in der Vergangenheit beispielhaft in Einklang gebracht hat. Mein persönlicher Fokus liegt allerdings auf einem anderen Schwerpunkt.
„Unsere Mitglieder hatten im Lockdown mehr Erfolg als andere", so Udo Knauf
Was heißt „anderer Schwerpunkt"? Krempeln Sie in der Zentrale jetzt erst einmal alles auf links?
Mit Sicherheit nicht! Natürlich möchte ich das eine oder andere verändern, aber man muss auch darauf achten, das System nicht zu überlasten. Dabei versuche ich, alle Beteiligten bestmöglich mitzunehmen. Wir haben in der Zentrale eine tolle und eingespielte Mannschaft, ergänzt durch eine langjährig erprobte Agentur. Außerdem greifen wir auf die Ressourcen der Weltfunk-Großhändler zurück und erreichen so eine unglaubliche Leistungsfähigkeit. Wir haben sicherlich noch Nachholbedarf bei der Digitalisierung. Aber von mehr als 30 von mir zur Diskussion gestellten Projekten gehen wir jetzt erst einmal die aus unserer Sicht wichtigsten an. Der Fokus liegt auf den Bedürfnissen unserer telering-Mitglieder und der Erwartungshaltung der Konsumenten.
Beispiele, bitte!
Wir müssen was tun für die Wahrnehmung unserer telering-Mitglieder hin zum Konsumenten. Bisher haben unsere telering-Mitglieder mit bereitgestellten IQ-Websites ein eigenes digitales Schaufenster, das als konfigurierbares Baukastensystem mit individuellen Gestaltungsmöglichkeiten als eigene Domain genutzt wird. Unsere vorrangige Aufgabe sehen wir darin, den telering-Mitgliedern Leads zu generieren und eine Plattform zu bieten, die Ihnen hilft, mehr zu verkaufen.
Wir durchdenken aktuell einen umfänglichen Prozess innerhalb des Gesamtpaketes Modernisierung und Digitalisierung. Das umfasst verschiedenste Maßnahmen im digitalen Auftritt innerhalb und außerhalb des eigentlichen Ladenlokals. Mehr können und wollen wir an dieser Stelle noch nicht verraten. Auf unserer Jahreshauptveranstaltung im Mai 2022 in Berlin werden wir unseren Mitgliedern Konkretes zeigen und präsentieren
Das heißt, Sie wollen mehr online verkaufen?
Das ist nicht unser Ansatz. Wir glauben daran, dass eine gewisse Käuferschicht serviceorientiert eher nach Lösungen sucht als nach Produkten. Eine Gesamtlösung besteht aus einem Produkt und der Dienstleistung eines Systemanbieters. Das ist genau das, was unsere Mitglieder hervorragend bedienen können. Das richtige, nachhaltige und hochwertige Produkt in Verbindung mit Beratung, Service und 24h Aftersales. Das ist die Kernleistung unserer Händler. Aber wir müssen es schaffen, dass diese Leistung heute auch zeitgemäß im Netz gefunden wird. Denn heute beginnt nahezu jede Customer Journey, wie wir alle wissen, im Netz.
Hört sich für einen kleineren Händler teuer an, oder?
Ich glaube, in der Coronazeit haben viele Händler verstanden, dass sie digital aufrüsten müssen. Natürlich sind hierfür Investitionen erforderlich. Wir werden sicherlich einen Finanzierungsmix zusammenstellen, um den Händlern dabei zu helfen und dabei auch von Seiten der telering Anreize schaffen. Aber der Fachhändler muss es selbst natürlich auch wollen. Wir werden die Maßnahmen in ein verständliches und transparentes System bringen, das den Umstieg bzw. die sich ändernden Anforderungen möglichst einfach und kostengünstig machen
Von Ihren rund 1.900 Händlern sind die wenigsten als „telering"-Fachhändler erkennbar. Bleibt das so?
Sie haben Recht. Ein Großteil der Mitglieder ist heute noch eigenprofiliert. Die freie Unternehmerentscheidung ist bei der telering ein hohes Gut. Das wird auch so bleiben. Aber wir brauchen künftig mehr Verbindlichkeit und wir brauchen auch mehr Uniformierung, wenn wir zentral generierte Leads an das einzelne Mitglied erfolgreich ausleiten wollen.
„Wir brauchen künftig mehr Verbindlichkeit und auch Uniformierung, wenn wir zentral generierte Leads an das einzelne Mitglied erfolgreich ausleiten wollen", ist sich der telering-Chef Knauf sicher
Dann sehen Sie trotz dem Trend zu Online-Käufen für Ihre Mitglieder gute Aussichten?
Dass der Kunde nur noch online kauft, stimmt ja so nicht. Das bloße Abdecken eines Einkaufsbedürfnisses findet künftig überwiegend im Netz statt. Diese Käuferschicht werden wir im Wesentlichen auch nicht bedienen können. Die Erkenntnis, dass der serviceorientierte Nahversorger eine Zukunft hat, wurde in der Corona-Zeit wieder verstärkt. Unsere Mitglieder hatten im Lockdown mehr Erfolg als andere. Die Umsätze haben sich sehr positiv entwickelt und wir verzeichnen ein ordentliches zweistelliges Wachstum. Die kleineren Betriebe haben die Flexibilität bewiesen, unter schwierigen Rahmenbedingungen etwas zu bewegen, während größere Händler strukturgehemmt waren. Im Übrigen gibt es ja auch neue Wettbewerber aus dem Online-Bereich, die mit einem sehr starken Serviceangebot aufwarten. Das hat ja gute Gründe und wertet aber auch das Thema stationärer Vermarktung von Services zusätzlich auf.
Was liegt denn eigentlich unter dem Weihnachtsbaum, wenn keiner mehr liefern kann? Unter welchen Vorzeichen steht für Sie das Saisongeschäft?
Verfügbarkeit schlägt Preis! Die Lieferengpässe bestehen häufig da, wo sie am meisten weh tun: Bei hochwertiger brauner und weißer Ware. Die Verknappung wird bis in das zweite Quartal 2022 hinein reichen. Unsere telering-Großhändler haben aber besonders stark disponiert. Deshalb stehen wir und die telering-Mitglieder derzeit verhältnismäßig noch recht ordentlich da.
Obwohl das Geschäft gut läuft, spürt man auf Lieferantenseite enormen Druck. Wie schätzen Sie das aktuell ein?
Die Veränderungen in der Kundenbetreuung durch die Industrie kommen uns fast schon entgegen. Die Lieferanten bauen Außendienst ab, aber unsere Großhändler stellen weiterhin eine flächendeckende qualifizierte Kundenbetreuung sicher. Das macht uns nicht nur für Mitglieder und potenzielle Mitglieder attraktiver, sondern auch für die Lieferanten, die diesen Service wertschätzen.
In Ihrer Fragestellung zielen Sie sicher auch auf das Thema des Direktvertriebs. Einerseits gibt es die klaren Bekenntnisse zum Fachhandel, andererseits werden die eigenen Vermarktungsaktivitäten hochgefahren. Wir wissen von den Konzepten und Ideen der Lieferanten und sagen offen unsere Meinung dazu. Aber einige Hersteller werden sich nicht davon abbringen lassen und viele Dinge testen. Wichtig ist, dass wir als telering und Weltfunk nicht außen vor bleiben. Und daran arbeiten wir.
Herr Knauf, vielen Dank für das Gespräch!
FOTOS: TELERING
Autor: Joachim Dünkelmann
Dieser Artikel ist am 6. Dezember 2021 erstmals erschienen in der Printausgabe von hitec Magazin, Ausgabe 12/2021.