hitec: Herr Schorcht, Ihr Unternehmen feiert sein 75-jähriges Jubiläum. Für Teenager von heute ist das fast ein Dinosaurier – oder?
Rainer Schorcht: Wir halten es mit Darwin und haben uns ständig verändert und weiterentwickelt und den Wünschen der Kunden angepasst. Der Kunde bestimmt unser Sortiment. Natürlich bespielen wir die Kanäle wie Facebook und Instagram mit Inhalten, die uns unsere Kooperation liefert. Die aktuellsten Kameras und Dienstleistungen werden hier mediengerecht transportiert. Wir müssen schon auf den Medien unterwegs sein, die die Jugendlichen nutzen. Darauf zu warten, dass sich ein Jugendlicher staunend vor unser Schaufenster stellt wird nicht reichen.
Die Innenstädte verändern gerade in rasanter Geschwindigkeit ihr Gesicht. Wo sehen Sie dabei die größte Herausforderung?
Die aktuelle Entwicklung verlangt von allen in der Stadt Agierenden, also der Stadt wie auch den Vermietern als auch den Kaufleuten selber, dass man ein vernünftiges Miteinander herstellt. Handel Gastronomie und Dienstleistern. Nur wenn das ausgewogen ist und die Vermieter einsehen, dass es nicht nur um Maximalmiete geht und die Einsicht herrscht, dass man sich in einer Standortgemeinschaft engagieren muss um Teilzentren aktiv zu entwickeln, nur dann funktionieren die Innenstädte.
"Wir bewegen uns ganz stark auf den Luxusgüterbereich zu", so Rainer Th. Schorcht
Mit fünf Standorten gehören Sie zu den größeren Foto-Spezialisten. Wie positioniert man sich hier gegenüber neuen, filialisierenden Wettbewerbern?
Wenn ich die bundesweit agierenden Filialisten nehme wie Calumet oder Kamera Express mit den gekauften Standorten wie Foto Gregor oder Wiesenhavern, dann sind wir in der glücklichen Situation, dass die alle Mitglied in unserer Einkaufskooperation Ringfoto sind.
Nicht erst seit dem ersten Lockdown hat sich die Branche Richtung „online" verschoben. Gibt es auch eine Online-Nische für Mittelständler?
Wir sind schneller als Amazon. Wenn ich bis mittags bestelle habe ich in den meisten Fällen am nächsten Morgen die Ware im Haus. Was viele Leute immer vergessen ist, dass der stationäre Handel einen unglaublichen Vorteil hat: Man kann die Ware, die man anfassen und ausprobieren kann auch sofort mitnehmen.
Es wird oft unterstellt, dass ein mittelständischer Einzelhändler unbedingt einen kompletten Onlineshop haben müsste. Das gibt es bei uns natürlich auch mit einer Lösung, die direkt vom Zentrallager der Kooperation im Namen des Händlers bespielt wird. Wer das nicht will, muss wenigstens dafür sorgen, dass er bei Google gefunden wird. Wer auf Google nicht gefunden wird, den gibt es auch nicht.
Wie sieht für einen stationären Fotohändler die ideale Mischung aus Dienstleistung und Ware aus?
Das bestimmen unsere Kunden. Sowohl bei der Ware, als auch bei der Dienstleistung. Wir haben uns eine Weile geweigert, PDF-Dokumente auszudrucken – aber warum denn, wenn der Kunde das will? Wir digitalisieren, wir laminieren, wir kopieren in Farbe auf A3, wir drucken Poster aus im Format 60 mal 90 – natürlich alles direkt zum Mitnehmen. Wenn der Kunde das will, bekommt er es auch.
Was die Ware angeht, wird man je nach Geschäftsgröße natürlich nicht alle 6 relevanten Kameramarken – Canon und Nikon, Sony und Panasonic, Olympus und Fujifilm – führen können. Die alle mit allen Objektiven vorrätig zu halten ist in einem kleineren Laden schlicht nicht möglich. Hier sollte man sich lieber auf zwei bis drei Marken beschränken, diese aber möglichst vollinhaltlich darstellen. Den Rest kann man für den Kunden kurzfristig nachbestellen – wenn die Ware denn lieferbar ist. Wir haben hier im Moment eine absurde Situation: Wenn ein Weltkonzern nicht in der Lage ist zu sagen, wann ein bestimmtes Produkt wieder lieferfähig ist, dann ist das unglaublich.
Hat der reine „Hardware-Händler" überhaupt noch eine Chance?
Wir sind immer noch die besten Warenverteiler für die Industrie, weil wir in der Lage sind, den Warenfluss zu steuern. Und die Verbundgruppe ist auch in der Lage sicherzustellen, dass ein Händler, der keinen Vertrag hat auch keine Ware erhält. Man darf auch nicht vergessen: Die Fotografie hat ungeahnten Schwung durch Smartphones bekommen. Die Zahl der Hobbyisten wächst nach und es werden immer mehr. Und die sind dann auch bereit, für ein schnelles Gehäuse und tolles Objektiv viel Geld auszugeben.
Die dritte Generation ist schon lange an Bord: Catharina Schorcht ist Mit-Geschäftsführerin
Droht das Fachgeschäft für Kameras und Objektive so zum Luxusgüterhändler zu werden?
Wir bewegen uns ganz stark auf den Luxusgüterbereich zu. Aber diese edlen Hightech-Produkte sind jeden einzelnen Euro ihres Preises auch wert. Das heißt nicht, dass Otto-Normalverbraucher nicht für wenig Geld auch eine tolle Kamera bekäme.
Auf Lieferantenseite stellt man immer wieder fest, dass Hersteller den direkten Weg zum Kunden suchen. Wo gibt es noch Partnerschaft zwischen Handel und Industrie?
In der Fotobranche erscheint mir das Thema Direktvertrieb derzeit nicht so relevant. Die Hersteller setzen in Ihren Shops auf die UVP und ansonsten die Partnerschaft mit dem Handel. Wenn ein Hersteller einen Flagship-Store eröffnet, hat er auch die Kosten eines stationären Händlers. Ich denke, solange wir als Händlergruppe so stark wie heute sind, sieht die Industrie kein Erfordernis zur Forcierung des Direktvertriebs.
Welche Hauptaufgabe sehen Sie in Zukunft für „Ihre" Kooperation Ringfoto?
Sicherzustellen, dass unser Lager weiterhin die hochgradige Funktionalität für immer mehr Produkte behält.
Warum benennt sich Ihre Verbundgruppe nach der Fusion mit europafoto jetzt wieder von UIG in „Ringfoto" um?
Wir hatten die Idee einer Dachmarke, unter der die drei Marken europafoto, Ringfoto und Photo Porst geführt werden. Aber die Markenrechte für europafoto gingen in dem Auflösungsprozess der Gruppe leider verloren. Wir haben uns dann wieder auf die wesentlich bekanntere Marke Ringfoto konzentriert. Viele nutzen Ringfoto oder auch Photo Porst als Marke, aber einige wie Sauter, Gregor, Erhardt, Koch, Leistenschneider oder Lambertin sind unter ihrem eigenen Namen Mitglied und nutzen die Kooperation als Dienstleister. Für einen kleineren oder mittleren Händler ist es aber enorm wichtig, sich als Teil von Ringfoto, Europas größter Fotoverbundgruppe, zu profilieren.
Wenn sie die Wahl haben: Lieber ein Produkt der Hersteller-Marke oder die Eigen-Marke?
Da kann ich nur für Ringfoto sprechen, wo wir mit der Eigenmarke nur Lücken füllen, die der Hersteller hinterlässt. Wir bewegen uns hier nur im Bereich der Delikatessen, die in der Nische auf Nachfrage stoßen. Wir gehen nicht in Konkurrenz zu unseren Lieferanten.
Wie steht's bei Foto Schorcht um das Thema Unternehmensnachfolge?
Das läuft bei uns weit vorausschauend. Ich bin derzeit die zweite Generation und habe Fotohandel mit der Muttermilch aufgesogen. Vor über 10 Jahren habe ich meine Tochter Catharina gefragt, was sie lieber verkaufen möchte - Schuhe oder Foto. Die Antwort kam wie aus der Pistole. Sie ist seit 2004 ebenfalls Geschäftsführerin und die dritte Generation bei Foto Schorcht.
Hat Ihr Geschäftsmodell langfristig eine Zukunft?
Das hat Zukunft, denn wir werden dringend gebraucht. Der ständige Fortschritt führt dazu, dass die Bilder von gestern auch fit für die Zukunft gemacht werden müssen. Und neue Erinnerungen wollen konserviert werden. Wir bewahren all die schönen Erinnerungen unserer Kunden, einmalige Erlebnisse und unwiederbringliche Momente. Und Deshalb ist Fotohändler für mich der schönste Beruf der Welt.
FOTOS: FOTO SCHORCHT
75 Jahre gute BilderDas Ringfoto-Fachgeschäft, das Rainer Th. Schorcht in zweiter Generation führt, feiert derzeit das 75-jährige Jubiläum. Als seine Eltern am 2. Dezember 1946 das erste Foto-Geschäft eröffneten, war der heutige Geschäftsführer 2 Monate alt. Bereits seit 2004 ist die dritte Generation in Person von Tochter Catharina Schorcht an Bord und führt gemeinsam mit ihrem Vater das Unternehmen. Die Kooperation Ringfoto spielt für den Erfolg des Familienunternehmens laut Schorcht eine zentrale Rolle. Warenverfügbarkeit und schnelle Lieferung machen den Mittelständler wettbewerbsfähig mit stationärer und Online-Konkurrenz. Rainer Schorcht ist seit über 30 Jahren engagiertes Mitglied, Verwaltungs- und Aufsichtsratsvorsitzender von Ringfoto, Europas größter Fotokooperation mit rund 1.600 Mitgliedern. Daneben engagiert er sich im Vorstand des Handelsverband Technik (BVT) und im Präsidium des Handelsverband Deutschland (HDE). |
Autor: Joachim Dünkelmann
Dieser Artikel ist am 8. Februar 2022 erstmals erschienen in der Printausgabe von hitec Magazin, Ausgabe 1-2/2022.