Manfred Schnabel
"Staat mit falscher Strategie"

Manfred Schnabel führt seit über drei Jahrzehnten die ESCH Unternehmensgruppe. Der gelernte Bankkaufmann und studierte Diplom-Kaufmann scheut mit seiner zielstrebigen Art keine Auseinandersetzung. Ob im Handelsverband, in seiner Verbundgruppe expert oder als Präsident der IHK Rhein-Neckar verschafft er sich und seinen Kollegen gegenüber Politik und Verwaltung Gehör. Die Corona-Zeiten bringen den Vollblut-Unternehmer auf die Barrikaden.
hitec: Herr Schnabel, Rheinland-Pfalz hat offen, Baden-Württemberg weitestgehend zu. Was sagt der Mannheimer Einzelhändler dazu?

Manfred Schnabel: Unsere Metropolregion Rhein-Neckar erstreckt sich über drei Bundesländer mit drei unterschiedlichen Corona Verordnungen, 15 Stadt- und Landkreise mit völlig unterschiedlichen Inzidenzen und Öffnungsvorschriften. Mannheim hat im Moment zu und rundherum ist geöffnet. Statt das Geschehene zu entzerren, wird hier ein Shopping-Tourismus mit unerwünschter zusätzlicher Mobilität erzeugt. Meine Mitarbeiter verstehen nicht, warum wir weiterhin geschlossen bleiben müssen, obwohl wir ausgefeilte Hygienekonzepte umgesetzt haben und von uns kein erkennbares Risiko ausgeht. Der Handel ist kein Hotspot und war es auch nie. Die aktuelle Control-Covid-Studie des Robert-Koch-Instituts attestiert dem Handel ein geringes Ansteckungsrisiko. Umso ärgerlicher ist es, dass es nun wieder zu Geschäftsschließungen kommt und die geschlossenen Betriebe ohne hinreichende Begründung und Entschädigung hohe, existenzgefährdende Sonderlasten tragen müssen.

Was würden Sie anders machen?

Wir brauchen dringend einen Strategiewechsel weg von einer inzidenzorientierten Schließung ganzer Branchen hin zu einer evidenzbasierten Öffnungsstrategie. Praktisch heißt das: Wo Schutz und Hygienekonzepte gewährleistet werden können, darf geöffnet werden und wo ein zu hohes Risiko besteht, muss entschädigt werden. Die aktuellen Test- und Impfstrategien sind mangelhaft, ebenso die fehlende digitale Vernetzung von Ämtern und Behörden. Deutschland bleibt weit unter seinen Möglichkeiten. Denn das eigentliche Problem ist die fehlende digitale Nachverfolgbarkeit. Die Politik muss sich jetzt auf Maßnahmen konzentrieren, die an den Infektionsquellen ansetzt und eine vollständig digitale Nachverfolgung der Infektionsketten ermöglicht. Eine solche Strategie würde erlauben, sowohl den Schutz der Gesundheit als auch unserer wirtschaftlichen Basis zu gewährleisten. Das Beispiel Korea hat ja gezeigt, dass es digitale Lösungen gibt, Infektionen zu erfassen, zu verfolgen und dann zielgerichtet zu handeln. Die aktuelle Diskussion geht vollkommen am Thema vorbei, wenn sich die Menschen zwar testen, aber nicht tracken lassen.


„Deutschland bleibt weit unter seinen Möglichkeiten", ist Manfred Schnabel überzeugt

Viele Kollegen klagen mittlerweile gegen Ungleichbehandlung – teilweise mit Erfolg. Ist das der richtige Weg?

Die Ungleichbehandlung der Branchen durch die Politik ist ebenso willkürlich wie unverständlich. Spätestens seit dem Home Office-Boom ist vollkommen klar, dass wir mit unserem Sortiment systemrelevant sind. Für meine Mitarbeiter und unsere Kunden ist nicht nachvollziehbar, dass die Kinder auf Home Schooling angewiesen sind und die Arbeitnehmer im Home Office arbeiten sollen und wir als maßgeblicher Anbieter genau dieser Produkte geschlossen bleiben. Unsere Kunden suchen und brauchen unsere Unterstützung bei der Auswahl, der Einrichtung, der Installation sowie bei der Reparatur von Home Office-Produkten. Auch ältere Kunden sind ohne unsere Dienstleistungen diesbezüglich völlig hilflos und fühlen sich alleine gelassen.

Die Wettbewerbsverzerrung durch den Lebensmittelhandel und den Cash- und Carry Großhandel ist offensichtlich - alle machen seitenweise Werbung für unsere Produkte, aber wir müssen geschlossen bleiben. Die Situation ist nach über einem Jahr der Erfahrungen und Erkenntnisse nicht tolerierbar. Um das klarzustellen: Es geht hier nicht um Eifersüchteleien und ich mache niemandem einen Vorwurf, dass er sein Geschäft öffnet, wenn er es darf. Es geht darum, dass es unserer Betriebsform mit großem Beratungs- uns Serviceangebot sowie hohen Sicherheits- und Hygienestandards ermöglicht wird, ebenfalls zu öffnen. Wir sind nicht gegen andere, sondern für eine eigene zuverlässige Öffnungsperspektive.

Mit Blick auf die Fördermaßnahmen von Bund und Land: Was brauchen wir aktuell?

Es muss bei den von der Schließung betroffenen Unternehmen und struktureller Hilfe viel deutlicher unterschieden werden. Auch wenn es vielen Unternehmen unserer Branche gelingt, traditionelle Umsätze durch margenschwaches Onlinegeschäft zu ersetzen, laufen die stationären Kosten ja weiter. Das heißt, viele Betriebe bekommen keinerlei Überbrückungshilfen, verlieren aber massiv auf der Ertragsseite. Direkt oder indirekt von Schließung betroffene Unternehmen brauchen eine Kompensation der entstandenen Schäden, da sie ein Sonderopfer erbringen. Umsatzschwellen machen da keinen Sinn, zumal die entstandenen Schäden ohnehin nur teilweise ausgeglichen werden. Auch einzelne von Schließung betroffene Geschäftsbereiche innerhalb eines Unternehmens sollten Kompensationen erhalten können. Viel wichtiger als die Hilfen wäre aus meiner Sicht aber, dass wir endlich wieder öffnen können.


Im Handelsverband und der IHK Rhein-Neckar ist Unternehmer Schnabel ehrenamtlich für die Interessen des Handels aktiv

Wie halten Sie im Moment den Kontakt zu ihren Kunden – oder sind die mittlerweile alle bei Amazon?

Wir bieten viele unterschiedliche Kontaktmöglichkeiten an, auch im Lockdown. Der für uns bei weitem stärkste Kanal ist die telefonische Bestellung. Wir bewerben aktiv auch die Durchwahlen der einzelnen Abteilungen, damit sich die Kunden direkt mit den Mitarbeitern in Verbindung setzen können. Insgesamt läuft das Geschäft unter diesen schwierigen Bedingungen weit über unseren Erwartungen. Das hat mit der hohen Kundenbindung an unser Haus zu tun. Die Kunden vertrauen uns und sind bereit, unseren Empfehlungen zu folgen.

Und die Umsätze mit Click&Collect und Onlineshop laufen gut?

Das Onlinegeschäft läuft ebenfalls deutlich besser als erwartet, kann aber unser starkes beratungs- und serviceorientiertes Geschäftsmodell nicht ersetzen. Meine Kolleginnen- und Kollegen freuen sich schon jetzt darauf, wenn sie den persönlichen Kontakt mit Ihren Kunden wieder pflegen können.

Aus der Sicht von „expert Esch": Wie sehen Sie aktuell den Wettbewerb?

Marktanteile holt man in schlechten Zeiten und das ist uns offensichtlich gelungen. In solchen Phasen zahlen sich langjährige vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen zu Kunden und Lieferanten aus. Besonders wichtig ist es aber ein gutes Team um sich zu haben, dass sich hervorragend versteht und sich wohlfühlt. Weiterhin ist es sehr wichtig, dass wir bestens in eine leistungsstarke Verbundgruppe integriert sind und uns im Kollegenkreis auch in dieser herausfordernden Phase vertrauensvoll abstimmen können. Wettbewerb? Ich denke, dass wir gestärkt aus dieser Krise herauskommen werden.


„Marktanteile holt man in schlechten Zeiten und das ist uns offensichtlich gelungen", so Schnabel

Die Corona-Maßnahmen haben gezeigt, wie viel Bürokratie in Deutschland steckt: Wie lautet Ihre Botschaft an den Amtsschimmel?

Was wir dringend brauchen ist ein Belastungsmoratorium für die Unternehmen. In Sonntagsreden wird von der Politik gerne das hohe Lied auf den Mittelstand gesungen, aber im praktischen Alltag werden wir durch immer neue Vorschriften belastet. Wir brauchen keinen Staat, der sich in immer mehr Bereiche einmischt und bei der schleppenden Impf,- Test,- und Hilfsstrategie gerade seine mangelnde Leistungsfähigkeit unter Beweis stellt. Wir brauchen nicht mehr Staat, sondern einen schlanken funktionierenden Staat.

Mit all dem, was Sie heute wissen: Würden Sie noch einmal Unternehmer werden wollen?

In der Corona Krise lernt man gerade, dass das Leben für die meisten Angestellten, Beamten und Rentner einfach weiterläuft: keine finanziellen Einbußen, keine Existenzsorgen, keine Angst um die Pensionen. Da kommt man als selbst und ständig arbeitender Unternehmer schon ins Grübeln.

Aber na klar! Immer wieder gerne – Unternehmer sein ist einfach klasse!

Herr Schnabel, vielen Dank für das Gespräch!

FOTOS: IHK RHEIN-NECKAR

Das Gespräch führte: Joachim Dünkelmann

 Dieser Artikel ist am 6. April 2021 erstmals erschienen in der Printausgabe von hitec Magazin, Ausgabe 4/2021.

 

Schlagwörter

Manfred Schnabel, Esch Unternehmensgruppe, expert, Handelsverband Baden-Württemberg, IHK Rhein-Neckar

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