Manfred Schnabel: Die Corona-Jahre waren keine fetten Jahre, sondern sehr herausfordernd. Wir Fachhändler konnten hier unsere Stärken ausspielen, weil wir auf unsere hervorragenden Mitarbeiter zählen konnten. Wir haben auf Corona-Hilfen verzichtet und uns voll auf unsere Kunden konzentriert. Das hat sich ausgezahlt.
Aktuell entwickeln wir uns nach wie vor deutlich besser als der Markt und sind in vielen Bereichen mit den Umsätzen sogar ausgesprochen zufrieden. Bei den Elektrogroßgeräten bemerken wir, dass Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und smarte Bedienkonzepte eine immer wichtigere Rolle spielen. Vorgezogene Ersatzkäufe sorgen bei sparsamen Geräten für steigenden Absatz.
"Herr Bundeskanzler, warum sollten wir unseren Kindern angesichts überbordender Regulatorik und zunehmenden Belastungen empfehlen, unsere Betriebe fortzuführen?"
Insgesamt werden die Konsumenten allerdings deutlich anspruchsvoller, nicht nur bei den Produkten, sondern auch bei unseren Dienstleistungen. Überall dort, wo wir unsere Dienstleistungsqualität bei Beratung, Lieferung, Montage und Aftersales Service ausspielen können, gewinnen wir: Ob bei der Küchenmodernisierung, bei der Reparatur von Kaffeeautomaten oder bei komplizierteren Installationen im Bereich der Unterhaltungselektronik.
Wenn die Produkte schwächeln: Ist Wertschöpfung durch Dienstleistung für Sie als Händler die Alternative?
Umfangreiche Services waren schon immer Teil unserer DNA. Wir betrachten Produkte und Dienstleistungen als zwei Seiten derselben Medaille. Insofern wird mit Blick auf die Wertschöpfung bei uns beides nicht als Alternative, sondern zusammen gedacht, weil am Ende auch beides direkt oder indirekt auf die Wertschöpfung einzahlt.
Aber es stimmt schon: Dienstleistungen gewinnen deutlich an Bedeutung, was unserer Mentalität sehr entgegenkommt. Wir haben unser Service-Portfolio deshalb in den vergangenen Jahren kontinuierlich erweitert. Beispiele dafür sind die sehr erfolgreichen Geräte-Versicherungen oder die Daten-Dienstleistungen rund ums Smartphone. Sie ergänzen unsere Klassiker wie Lieferung, Montage oder Reparaturservices.
Ist der Verbraucher denn bereit, für die Leistung zu zahlen?
Mein Eindruck ist, dass die Kunden Dienstleistungen zunehmend zu schätzen wissen. Ebenso wie für Produkte gilt: Wenn etwas gut ist, wenn eine Leistung überzeugt und Mehrwert bietet, sind Kunden auch bereit, dafür zu zahlen.
Das „Recht auf Reparatur" soll bald Gesetz werden – wie könnte man das Reparieren aus Ihrer Sicht fördern?
Wir bieten für den größten Teil der von uns verkauften Geräte einen eigenen, von den Herstellern autorisierten Kundendienst an. Die kompetente Reparatur ist für uns eine Selbstverständlichkeit, die von unseren Kunden sehr stark nachgefragt und geschätzt wird.
Ich möchte nicht bestreiten, dass es bei einem kleinen Teil des Sortiments, wie bei manchen Herstellern von Smartphones, Regulierungsbedarf gibt. Bei den meisten Artikeln aus unserem Sortiment, geht es allerdings um eine reine Wirtschaftlichkeits- und Kapazitätsfrage, also die Frage: „lohnt sich die Reparatur überhaupt noch" und haben wir genug Personalkapazität.
"Besser wäre es vielleicht, wie in Österreich, einen Reparaturbonus einzuführen oder Reparaturkosten von der Mehrwertsteuer zu befreien."
Besser als ein neues Gesetz wäre, die Arbeits- und Wegekosten so zu entlasten, dass sich Reparaturen häufiger lohnen. Es kann doch nicht sein, dass der Durchschnittsverdiener in Deutschland aufgrund der Abgabenlast selbst sechs Stunden arbeiten muss, um sich eine Vor-Ort-Überprüfung durch einen Werkskundendienst leisten zu können.
Das Recht auf Reparatur könnte die Situation noch verschärfen, weil die Hersteller die gestiegenen Kosten, wie die Ersatzteilbevorratung, einpreisen müssen. Das „right to repair" könnte Reparaturen also noch unwirtschaftlicher machen und kontraproduktiv wirken.
Besser wäre es vielleicht, wie in Österreich, einen Reparaturbonus einzuführen oder Reparaturkosten von der Mehrwertsteuer zu befreien.
Generell scheint die Regulierungswut aus Berlin und Brüssel zuzunehmen. Wie empfinden Sie das?
Deutschland ist überreguliert und viel zu bürokratisch. Bürokratie meint den Erfüllungsaufwand, der aus der Einhaltung von Formalien staatlicher Regulierung resultiert. Regulation meint aber die Einschränkung oder die Erschwerung von Handlungsoptionen bzw. Geschäftsmodellen – und das ist das weitaus größere Problem!
Insbesondere mittelständische Unternehmen, bei denen der Unternehmensinhaber immer die Letztverantwortung trägt, fühlen sich von der Summe der Regulierungen erdrückt und vom Staat zunehmend gegängelt. Man denke nur an das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das zu allem Überfluss in zwei Jahren durch eine europäische Regelung ersetzt wird.
Es wäre wichtig, uns Unternehmern mehr Eigenverantwortung zuzutrauen. Unabhängig davon, wie man zu einzelnen Regelungen steht: Sie bedeuten immer einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Sie stellen uns vor organisatorische Herausforderungen und verursachen Kosten sowie Mehraufwand. Die dafür aufgewendeten Zeiten und Ressourcen würden wir lieber in den Ausbau unseres Geschäfts, in die Verbesserung unseres Angebots und unserer Services investieren, um somit gleichzeitig zu Schaffung und Erhalt regionaler Arbeitsplätze beizutragen.
"Umfassende Qualifikationsangebote sowie eine Wohlfühlatmosphäre verbunden mit vielen Freiheiten sind die entscheidenden Komponenten, um dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern."
Handel ist Wandel. Das galt schon immer und gilt für unsere Branche ganz besonders. Die Betriebe machen ihre Hausaufgaben, erweitern ihr Online-Geschäft und sorgen gleichzeitig dafür, dass die Innenstädte die Zentren des städtischen Lebens bleiben. Aber auch die Politik muss ihre Aufgaben machen und die richtigen Rahmenbedingungen setzen.
Fühlen Sie sich als Mittelständler benachteiligt?
Wir Mittelständler sind der Wirtschafts- und Beschäftigungsmotor Deutschlands. Es schadet nicht, dies von Zeit zu Zeit bei Politik, Medien und Gesellschaft ins Bewusstsein zu rufen. Unsere regionale Verwurzelung und Verbundenheit, unsere Flexibilität und Leistungsfähigkeit sowie unsere Eigenständigkeit sind Stärken, von denen nicht nur wir profitieren. Wir Händler haben darüber hinaus immer noch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung als Versorger. Und der Einzelhandel einer Kommune zählt zu den wichtigsten Standortfaktoren. Was dem Mittelstand und generell den Unternehmen nicht nur aus meiner Sicht fehlt, ist eine entsprechende Wertschätzung in Politik, Medien und Öffentlichkeit.
Kooperationen wie expert erlauben uns, unsere Kräfte zu bündeln und gleichzeitig unsere Individualität zu erhalten. So sind wir gemeinsam stark und können unserer Stimme Gehör verschaffen, natürlich auch in und mit Verbänden wie dem BVT und den Kammern.
Viele Handelskonzepte setzen im Moment auf weniger Fläche und mehr Kundenorientierung. Der richtige Weg?
Die Kundenorientierung stand für uns schon immer an erster Stelle und wir waren immer der Überzeugung, dass die Qualität der Mitarbeiter der entscheidende Erfolgsfaktor ist. Flächenkonzepte müssen von Zeit zu Zeit überprüft werden, aber mit dem expert-Fachmark-Konzept liegen wir bezüglich der Größe nach wie vor richtig. Wie wir diese Fläche füllen, unterliegt einem stetigen Wandel. Wichtig ist für uns, dass sich Kunden und Mitarbeiter zu jeder Zeit wohlfühlen!
Ist es schwer, geeignetes Personal zu bekommen?
Der wachsende Arbeitskräftemangel ist kein Geheimnis und macht sich überall bemerkbar. Unser Vorteil ist, dass wir uns als regionales Traditionsunternehmen ESCH über Jahrzehnte einen exzellenten Ruf als Arbeitgeber und Ausbilder erarbeiten konnten und gleichzeitig auf der überregional bekannten Marke expert aufbauen können.
"Wir haben beste Erfahrungen damit gemacht, unsere Lieferanten als Partner zu begreifen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen."
Darauf ruhen wir uns aber nicht aus. Wir versuchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern sowie zu motivieren und unseren Azubis auf Augenhöhe zu begegnen. Umfassende Qualifikationsangebote sowie eine Wohlfühlatmosphäre verbunden mit vielen Freiheiten sind die entscheidenden Komponenten, um dem Fachkräftemangel aktiv entgegenzusteuern.
Wie sieht es mit der Unternehmensnachfolge aus?
Eine aktuelle Statistik des DIHK zeigt, dass es auf 4,5 Handelsbetriebe nur einen potenziellen Nachfolger gibt. Das zeigt die Brisanz des Themas. Während „Startups" politisch und öffentlich gehyped werden, scheint man der Unternehmensnachfolge höchstens in Sonntagsreden eine Bedeutung beizumessen und sie als selbstverständlich zu betrachten. Das ist sie aber nicht. Wenn wir die nächste Generation von mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmern gewinnen wollen, dann muss die Gesellschaft und die Politik dem Unternehmertum endlich eine angemessene Wertschätzung entgegenbringen, beispielsweise auch dadurch, dass man die zunehmenden Belastungen endlich reduziert.
Wie kann die Kooperation bei Suche von Personal und Nachfolge unterstützen?
Für die Mitarbeiterbindung und Personalsuche ist vor allem die Zufriedenheit der Mitarbeiter vor Ort und die wahrgenommene Attraktivität des Unternehmens in der Region entscheidend. Bei der Ausbildung unterstützt expert neben der Azubi-Qualifizierung seit einiger Zeit auch durch Ausbilder-Schulungen und seit dem letzten Jahr durch einen Azubi-Wettbewerb. Die expert-Akademie hat bei der Weiterbildung eine große Bedeutung. Das Programm „Next expert Generation" richtet sich speziell an den Nachwuchs von Gesellschafterfamilien und hat regelmäßig begeisterte Teilnehmer.
Schöpft die Industrie ihre Möglichkeiten aus, die Leistungen des Handels zu honorieren?
Wir haben beste Erfahrungen damit gemacht, unsere Lieferanten als Partner zu begreifen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Ich denke, dass alle Seiten grundsätzlich wissen, was sie aneinander haben. Dieses Vertrauen erlaubt, ja bedingt geradezu, dass man sich stets ehrlich die Meinung sagt, aber dabei konstruktiv bleibt. Auf diese Weise ist es uns immer wieder gelungen, gemeinschaftlich Lösungen zu finden.
Die zunehmenden Direktvertriebsaktivitäten der Lieferanten sind im Gegenzug etwas, dass wir mit wenig Begeisterung beobachten. Wir denken, dass hier an einem Ast gesägt wird, auf dem man selbst sitzt.
Wir bieten mit unserer hervorragenden Beratung und unseren vielen Dienstleistungen vor Ort den entscheidenden Mehrwert, der den Vertrieb über den Fachhandel auch in Zukunft wertvoll macht.
"Dienstleistungen gewinnen deutlich an Bedeutung, was unserer Mentalität sehr entgegenkommt."
In Zeiten zunehmenden Arbeitskräftemangels und steigender Kosten wächst allerdings der Druck, die notwendige Wertschöpfung auch abzusichern. Hier sind die qualitätsorientierten Markenhersteller gefordert, mit geeigneten Konzepten den Mehrwert unserer Fachhandelsleistungen entsprechend zu honorieren und gegen Trittbrettfahrer abzusichern.
Welchen Grund gibt es für Sie, zur IFA nach Berlin zu fahren?
Die IFA ist nach wie vor das wichtigste Forum für einen komprimierten Austausch mit den Herstellern, aber auch Bühne für unsere expert-Kooperation. Zudem bietet sie die Möglichkeit, Innovationen zu erleben und die Reaktionen des Publikums darauf direkt zu spüren. Durch ein geschlossenes, möglichst vollzähliges Auftreten vor Ort können auch wir als expert-Gesellschafter dazu beitragen, den Stellenwert und die Attraktivität der Messe zu erhalten.
Entscheidend ist, ob es der Messe gelingt, die „Tagesthemen" sowie andere wichtige Medien und Multiplikatoren während der Messe wieder zurückzugewinnen. Diese Medienleistung ist für unsere Branche und für jeden einzelnen Hersteller von unbezahlbarem Wert.
Welche Frage würden Sie gerne unserem Bundeskanzler stellen?
Deutschland galt 1999 als der „kranke Mann Europas" und hat sich durch die mutigen Entscheidungen einiger Politiker und die Tatkraft engagierter Unternehmer im Rahmen der Agenda 2010 die Wettbewerbsfähigkeit zurückerobert. Heute sind die Rahmenbedingungen nach Ansicht der meisten Institute für die Unternehmen deutlich schlechter als damals. Als IHK-Präsident frage ich Sie Herr Kanzler: Wann beginnen Sie, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands mit der von uns dringend geforderten „Wirtschaftspolitischen Agenda 2030" zurückzuerobern?
Als Unternehmer frage ich Sie Herr Kanzler, warum wir unseren Kindern im Angesicht überbordender Regulatorik und zunehmenden Belastungen empfehlen sollen, unsere mittelständischen Betriebe fortzuführen? Bitte erklären Sie mir, warum sie ein Übermaß an Arbeit und Verantwortung tragen sollen, während große Teile der von Ihnen geführten Regierung die Zukunft der nächsten Generation in der Viertagewoche im Home-Office verbunden mit einer ausgeprägten Life-Work-Balance und einer Rente mit 63 sehen?
Herr Schnabel, vielen Dank für das Gespräch.
FOTOS: THOMAS RITTELMANN; IHK RHEIN-NECKAR; PRIVAT
Autor: Joachim Dünkelmann
Dieser Artikel ist am 29. August 2023 in gekürzter Fassung erstmals erschienen in der Printausgabe von hitec Magazin, Ausgabe 9 / 2023.