Jens-Christoph Bidlingmaier
"Neue Markenstrategie"

Am 2. April entstand mit der Beko Europe ein neuer großer Player auf dem europäischen Haushaltsgeräte-Markt. Beko Europe beschäftigt mehr als 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, generiert einen Umsatz von 5,5 Mrd. s und produziert 24 Millionen Haushaltsgeräte unter anderem der Marken Bauknecht und Grundig an 11 Produktionsstandorten. Das neu gegründete Unternehmen befindet sich zu 75 Prozent im Besitz der Beko B.V. und zu 25 Prozent im Besitz der Whirlpool Corporation. Wir haben mit Jens-Christoph Bidlingmaier gesprochen, der seit zehn Jahren Vorsitzender der Geschäftsführung der Bauknecht Hausgeräte GmbH ist und jetzt bei Beko Europe die neue Position als Vice President & Regional Managing Director Nordeuropa übernimmt.
hitec: Herr Bidlingmaier, wie fühlt sich das an, wenn man nach zehn Jahren in einem amerikanischen Konzern Teil einer neuen „Familie“ wird?

Jens-Christoph Bidlingmaier: Es ist ein schönes, ein überwältigendes Gefühl, Teil dieser neu gegründeten „Familie“ zu sein und Nordeuropa zu leiten und gemeinsam mit meinem Team stetig an Verbesserungen für unsere Handelspartner und Konsumentinnen und Konsumenten zu arbeiten. Von Beginn an ist spürbar, dass Beko Europe eine oder sogar die treibende Kraft für Fortschritt und Wachstum im Herzen Europas sein wird.

Was unterscheidet eigentlich amerikanische, türkische und deutsche Unternehmenskultur voneinander?

Sicherlich gibt es über die Kontinente und Länder hinaus sichtbare Unterschiede, aber viel mehr Parallelen und Gemeinsamkeiten. Aus meiner Sicht wird hier wie dort ein großer Wert auf Teamspirit, Respekt und inklusive Zusammenarbeit gelegt. Darüber hinaus steht das Wohlergehen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Zentrum; es ist das Fundament für nachhaltigen Erfolg. Das Unternehmensziel steht bei allen Kulturen im Fokus, die Ziele unterscheiden sich jedoch deutlich.


"Zur Saison 2024 werden wir die neue Markenstrategie kommunizieren und im Jahr 2025 ausrollen“, so Jens-Christoph Bidlingmaier

Beko Europe hat im Bereich „Sustainability” eindeutige „net zero” Ziele definiert, ohne Kompromisse im Bereich der Qualität (Produkte, Supply Chain, Services) einzugehen. Damit kann ich mich identifizieren und meinen Beitrag zum Erreichen dieses Zieles leisten. In unserem neuen Unternehmen erlebe ich Dynamik, schnelle Entscheidungswege und den absoluten Willen, marktrelevante Veränderungen zu gestalten. Dabei ist die Willkommenskultur und Gastfreundschaft meiner neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr ausgeprägt.

Woran lag es, dass die Whirlpool-Mutter sich für das europäische Geschäft einen starken und auch größeren Partner gesucht hat?

Die beiden Unternehmensbereiche von Whirlpool und Arçelik in Europa ergänzen sich hervorragend. Durch diese Kombination haben wir als Marktführer die Möglichkeit, unsere Handelspartner, Kundinnen und Kunden noch intensiver mit attraktiven Marken und innovativen Produkten zu begeistern - das Beste aus zwei Welten! Die europäische Haushaltsgeräteindustrie braucht einen Vorreiter mit einer klaren Vision und Perspektive, um die Branche zu verändern – diese Rolle möchten wir als Beko Europe einnehmen. Wie schon zuvor betont: Wir werden eine Kraft für Fortschritt und Wachstum im Herzen Europas sein.

Was bringt Whirlpool in die neue Ehe ein und was Arçelik?

Das neue Unternehmen vereint 20.000 erfahrene, gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Europa, 6.000 stammen von Arçelik und 14.000 kommen aus der Whirlpool Familie. Das Fertigungs-Know-how beider Unternehmen vereint 16 hochwertige europäische, sich ergänzende HausgeräteMarken wie z.B. Bauknecht, Beko, Grundig und Privileg. Zu den neun europäischen Produktionsstätten von Whirlpool sind zwei weitere europäische Fabriken (Kühlen und Wäschepflege) von Arçelik dazugekommen. Wir können damit bis zu 24 Millionen Geräte im Bereich „Einbau” und „Freistehend” für unsere Handelspartner produzieren.

Mit welchen Vorteilen?

Die kurzen Transportwege sorgen für schnelle und zuverlässige Zulieferungen. Wir möchten für unsere Kundinnen und Kunden und bei unseren Konsumentinnen und Konsumenten mit nützlichen, nachhaltigen Innovationen aus beiden Häusern punkten. Die ersten Neuheiten werden wir auf der IFA und auf der Küchenmesse MOW im September zeigen. Unsere kundennahen, bekannten Vertriebsmannschaften aus beiden Häusern werden weiterhin unsere Partner sowohl im Küchenfachhandel, im Bereich Retail als auch in anderen relevanten Absatzkanälen intensiv und individuell betreuen. Im Bereich „After Sales Service” werden wir die starke Infrastruktur von Whirlpool auf alle Marken unter dem Dach von Beko Europa ausweiten.


„Wir sind in der Lage, an europaweit elf Standorten unglaubliche 24 Millionen Hausgeräte für den europäischen Markt herzustellen“, so der Chef von Beko Europe

Welche Herausforderungen waren in den letzten Monaten die größten?

Die größte Herausforderung für unsere beiden Teams war das Warten auf „Day 1”. Am 2. April 2024 haben wir dann gemeinsam an 78 Standorten in Europa den Start des europäischen Marktführers Beko Europe gefeiert und viele Kolleginnen und Kollegen haben sich zum ersten Mal kennengelernt.

In welchen Bereichen werden Sie mit dem neuen Joint Venture Synergien heben?

Wir werden ein verantwortungsvoller Partner für die Branche und vor allem für die Verbraucher:innen sein. Wir sind bestrebt, die Standards zu erhöhen, die Effizienz zu verbessern und die Innovation voranzutreiben. Auch wenn wir erst seit etwas mehr als vier Wochen zusammenarbeiten, lernen wir uns dank der schnellen Prozesse intensiv kennen und sehen schon jetzt, dass sich in vielen Bereichen großartige Potenziale ergeben, in denen das Beste aus beiden Welten zusammenkommen wird.

Was werden die größten Herausforderungen in den nächsten Monaten und Jahren für Sie persönlich sein?

Die größten Herausforderungen sehe ich in der kontinuierlichen Verbesserung der Services als Benefit für unsere unterschiedlichen Handelspartner, in einem sehr herausfordernden Marktumfeld. Wir werden weiterhin intensiv daran arbeiten, unsere „Basics” zu optimieren: schnelle, reibungslose Lieferketten, kurze, zuverlässige Transportwege, bester Konsumenten Service, verkaufbare, qualitativ hochwertige Produkte mit guten Erträgen für den Handel und Beko Europe. Aktuell arbeiten wir intensiv an unserer Markenstrategie und -ausrichtung. Dabei ist es mir besonders wichtig, die Bedürfnisse des Marktes, der Konsumentinnen und Konsumenten und des dortigen Handels zu bedienen - daher werden wir in vielen Ländern in Nordeuropa unterschiedliche Marken im Portfolio wiederfinden. Zur Saison 2024 werden wir die neue Markenstrategie kommunizieren und im Jahr 2025 ausrollen.

Wie wird sich das Joint Venture auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswirken?

Um eine neu belebte Organisation und Kultur zu schaffen, die nicht nur stärker, widerstandsfähiger und vielfältiger ist, sondern auch besser auf die Bedürfnisse unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kundinnen & Kunden und anderer Interessengruppen eingehen kann, ist es wichtig, die Stärken beider Unternehmen zu nutzen. Die Integration bietet eine einzigartige Gelegenheit, unseren Arbeitsmethoden neue Vitalität zu verleihen, indem wir die besten Strukturen beider Unternehmen miteinander verbinden. Unser kultureller Integrationsansatz wird sich darauf konzentrieren, die beiden Kulturen nahtlos zu verschmelzen und eine Ausrichtung zu schaffen, die die Werte und Ziele der gemeinsamen Organisation widerspiegelt. Unser Ziel ist ein nahtloser Übergang, der die Stärken beider Unternehmen einbezieht und eine einheitliche und dynamische Organisationskultur fördert.

Worauf kann sich der Einzelhandel einstellen?

Wir sind in der Lage, an europaweit elf Standorten unglaubliche 24 Millionen Hausgeräte für den europäischen Markt herzustellen. Die Bereitstellung der besten Produkte und Dienstleistungen für den Einzelhandel und für Verbraucherinnen und Verbraucher hat für uns nach wie vor oberste Priorität. Dabei sind zwei Dinge sehr wichtig: zuhören und verstehen. Um dann gemeinsam mit dem Einzelhandel die Möglichkeiten im Markt zu nutzen. Unsere zuverlässige Vertriebspolitik wird dabei die Basis für den gemeinsamen Erfolg bilden.

Welche Zukunft haben die Marken in der Beko-Markenfamilie?

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit unserem großen Markenportfolio eine einmalige Chance haben, die unterschiedlichen Zielgruppen in den verschiedenen Ländern in Europa für uns zu gewinnen. Das Markenportfolio aus beiden Häusern wird in den meisten Ländern jeweils eine wichtige Basis für unseren Erfolg bilden. Welche und wie viele Marken das sein werden, lüften wir zum nächsten Interview im Herbst 2024.


"Unsere zuverlässige Vertriebspolitik wird dabei die Basis für den gemeinsamen Erfolg bilden."

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit bei Beko Europe?

Nachhaltigkeit ist seit langem zentraler Treiber unseres wirtschaftlichen Handelns und bei Beko Europe fest als Business Modell in allen Unternehmensbereichen verankert. Man spürt es an allen Ecken: Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter lebt dieses Thema. Diesen starken Willen, etwas nachhaltig zu verändern, habe ich so bei noch keinem anderen Unternehmen erlebt. Die europäische Haushaltsgeräteindustrie braucht einen vorausschauenden Pionier wie Beko Europe – mit einer Vision für eine grünere und nachhaltigere Zukunft, die wir in möglichst vielen europäischen Haushalten etablieren wollen.

Ihr Lebensmittelpunkt ist ja eigentlich Hamburg. Wechseln Sie jetzt den Außenposten und ziehen von Stuttgart nach Frankfurt um?

Meine Familie und ich wohnen und leben in der wunderbaren Stadt Hamburg. Mein Verantwortungsbereich innerhalb von Beko konzentriert sich auf Nordeuropa mit den Ländern DACH, Benelux und Nordics – hier habe ich viele weitere schöne Außenposten, z.B. in Wien, Lenzburg, Oslo, Brüssel oder Stockholm. Ein Highlight ist sicherlich die Europa-Zentrale von Beko in Amsterdam - ein weiterer schöner Standort.

Hand aufs Herz, Sie sind schon seit vielen Monaten in den Vorbereitungen zur Gründung des neuen Unternehmens und das Tagesgeschäft läuft ja auch weiter, wie schafft man das am besten?

An der Vorbereitung zur Gründung des neuen Unternehmens habe ich mehr als 20 Monate mit einem starken Strategieteam gearbeitet. Als wir dann die finalen Zusagen der Wettbewerbsbehörden erhalten haben und wir wussten, dass wir am 2. April mit Beko Europe starten können, war ich sehr glücklich und zufrieden. Ich denke, dass solche Leistungen nur in einem effektiven Team möglich sind, das an die Ziele glaubt und dafür seine ganze Energie einsetzt - strategisch, operativ und persönlich. Vertrauen, Zuverlässigkeit und Teamgeist geben mir dabei besonders viel Kraft!

FOTOS: BEKO, BAUKNECHT

Autor: Steffen Kahnt

Dieser Artikel ist am 4. Juni 2024 erstmals erschienen in der Printausgabe von hitec Magazin, Ausgabe 6 / 2024.

 

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Jens-Christoph Bidlingmaier, BEKO Europe, Interview des Monats

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