Matthias Assmann: Die richtige Antwort ist: Ich bin in erster Linie Händler, aber eben auch IT‘ler. Schon im Studium habe ich im Systemhausbereich gearbeitet und da ist Kommunikation das zielführende Element neben der technischen Expertise. Wir müssen die Kunden begeistern und überzeugen, was für sie die richtige Lösung ist. Dafür muss man Technik auch mal in einfache Sprache transformieren. Außerdem komme ich aus einer Familie, die immer gerne und viel diskutiert und argumentiert hat – das habe ich nie abgelegt.
Was sagen Sie zu jemandem, der ElectronicPartner als Großhändler bezeichnet?
Haubrich ist als Großhändler gestartet, aber heute sind wir eine Verbundgruppe. Und eine Verbundgruppe definiert sich als freiwilliger Zusammenschluss von selbständigen Unternehmen. Wir bieten nicht einfach nur Ware, sondern sind sehr viel interaktiver – sozusagen mit den Vorteilen einer Genossenschaft, aber ohne ihre Nachteile. Wir sind sehr handlungsfähig und gleichzeitig nah an den Endkunden. Wir verstehen sehr gut, was unsere Händler brauchen, um erfolgreich zu sein.
Welche Vorteile liegen für Ihre Mitglieder darin, dass ElectronicPartner nicht nur beim Eigenkapital, sondern auch bei der IT-Umgebung stark aufgestellt ist?
Es geht eigentlich gar nicht um IT, sondern um Geschäftsprozesse. Mit der IT verdient man am Ende des Tages kein Geld. Im Geschäftsprozess liegt der Ertrag. Unser großer Vorteil ist, dass wir sehr lange eigene Medimax-Filialen hatten. Deshalb haben wir auch heute noch ein starkes Verständnis für die Abläufe und Prozesse in einem Einzelhandelsgeschäft unserer Branche. Dadurch sind wir in der Lage, Synergien zwischen unseren Anschlusshäusern zu finden und effizient zu arbeiten. Die Dinge, die wir als ElectronicPartner tun, machen wir auf Basis unserer 35-jährigen Erfahrung im operativen Einzelhandel. Die IT ist letztlich nur das Instrument, dass diese Dinge auch sauber und lückenlos funktionieren.
Wir haben ein wenig Glück gehabt, dass wir die richtigen Leute an Bord haben. Wir haben Insourcing betrieben, das heißt wir arbeiten weniger mit externen Partnern, weil unsere internen Kollegen verstehen, wo das Geld verdient wird. Es sollen ja mit Augenmaß bezahlbare Lösungen für die Mitglieder geschaffen werden und keine Powerpoint-Präsentationen. Durch dieses tiefe Verständnis für das Business unserer Händler können wir ein sehr rundes und effizientes Leistungsspektrum anbieten, das weit über Ware und IT hinaus geht.
Wir reden nicht viel über Geld. Aber so viel ist sicher: Hier sind wir extrem gut aufgestellt. Unsere finanzielle Stabilität und der angemessene Umgang mit dem Geld, das uns anvertraut wird, ist gerade in der aktuellen Krisensituation extrem wichtig. Unsere Eigenkapitalsituation und die Eigentümerstruktur helfen uns natürlich bei der Investition und Innovation. Wir haben unsere Hausaufgaben vor der Krise gemacht.
Wie kann der mittelständische Handel von Künstlicher Intelligenz profitieren?
Klar ist, dass KI unsere Arbeitswelt massiv verändert. KI ist im Büroalltag ein Assistent, der viele Dinge einfacher macht. Tools wie ChatGPT, Gemini oder CoPilot können sehr niederschwellig genutzt werden und sind für viele Aufgaben wie zum Beispiel die Texterstellung eine hilfreiche Abkürzung. Wir müssen aber den Mitarbeitern die notwendigen Leitplanken geben, was erlaubt ist und an welcher Stelle der Verwendung zusätzlich Rat eingeholt werden sollte. Wo man vorsichtig sein sollte, sind Bereiche, die über das Alltägliche hinaus gehen. KI setzt auf Daten auf – und die müssen valide sein. Man muss seine Datenbasis im Griff haben, sonst sind die Ideen und Entwicklungen der KI ohne Fundament. Eine spannende Frage wird sein, ob die Künstliche Intelligenz irgendwann wirklich intelligent wird. Stand heute ist sie nicht äquivalent zur menschlichen Intelligenz. Aber wir sind auf dem Weg, denn je größer die Wissensbasis ist, desto mehr richtige Rückschlüsse können gezogen werden. Die zweite Frage ist die der Kosten und der Wirtschaftlichkeit. Aber die Entwicklung ist heute eher noch in der Babyphase als im Teenager-Alter. Wir werden sehen.
Haben die weltwirtschaftlichen Querelen Einfluss auf das Tagesgeschäft?
Es wird nicht spurlos an uns vorbei gehen. Gerade wir in Deutschland sind dafür viel zu stark vom Außenhandel abhängig. Was unsere Lieferketten angeht, kommt deutlich mehr aus China, als aus Amerika. Die extrem volatile Politik insbesondere der USA wird dazu führen, das viele andere enger zusammenstehen werden. Vielleicht gelingt es durch diese Entwicklung sogar, aus dem Europa-Verdruss herauszukommen und Europa wieder zu einen und zu stärken. Dass wir Teile der Lieferketten entkoppeln und simplifizieren müssen, hat glaube ich mittlerweile jeder verstanden. Dass ein „weiter so“ nicht mehr funktioniert, ist vielleicht für uns Europäer gar nicht so schlecht. Ich bin definitiv Europäer. Und natürlich Kölner.
Was fällt Ihnen zum Stichwort „Bürokratieabbau“ ein?
Der Verdruss über Europa ist vor allem auch der Tatsache geschuldet, dass sich die EU in der Vergangenheit sehr sehr viel mit Regularien beschäftigt hat. Seit den 80er Jahren reden wir über Bananen und Gurken. Aber die Frage ist ja, was Europa eigentlich für seine Mitgliedsstaaten leisten sollte. Die falsch eingeschlagene Richtung sehen wir aktuell sehr deutlich bei dem ‚Green Deal‘. Die Ideen dahinter sind durchaus ehrenwert, aber die Umsetzung überfordert die Wirtschaft. Das Beispiel ‚Entwaldungsverordnung‘, bei der ein Elektrohändler, der zum Kaffeevollautomat ein paar Kaffeebohnen anbietet, eine ungeheure Nachweiskette liefern muss, zeigt das überdeutlich. Im Rahmen der aktuellen Omnibus-Richtline noch einmal zu hinterfragen, was hilft uns wirklich, ist der richtige Ansatz. Wir wollen uns nicht auf das Reporting konzentrieren, sondern auf nachhaltiges Handeln.
Sie sind seit kurzem im Aufsichtsrat von E-Square und schlagen operativ Brücken zu Telering und auch zur EK Retail – warum die Nähe zu anderen Verbundgruppen?
Wir haben 5 Verbundgruppen, die sich mit Consumer und Home Electronics beschäftigen und alle ein ähnliches Geschäftsmodell haben. Ich glaube, dass es sehr schlau ist darüber nachzudenken, wo Synergien entstehen – für unsere Händler und für unsere Kunde. Ich bin davon überzeugt, dass wir Verbundgruppen brauchen und dass wir Fachhandel brauchen. Der Fachhandelskanal kann nicht substituiert werden durch eine Coolblue oder einen MediaMarkt. Das Verständnis des Kunden und die unabhängige Beratung kann kein anderer so gut. Und der Kunde hat ein Recht auf anbieterneutrale Empfehlungen. Wie viele Verbundgruppen es in Zukunft noch geben wird kann ich leider nicht genau sagen. Aber was ich mit Sicherheit sagen kann ist, dass es in Zukunft ElectronicPartner geben wird.
Ist das Recht auf Reparatur eher Chance oder eher Risiko?
Ganz klar eine Chance. Wir haben sehr viele Betriebe, die sich mit dem Thema Reparatur und dem ganzen Themenkomplex befassen. Viele Werkstätten sind schon heute sehr gut ausgelastet. Aber Effizienz und Effektivität sind auch hier entscheidende Faktoren – und nicht jede Werkstatt kann alles gleich gut. Deshalb sehen wir hier eine Chance und schaffen für unsere Händler Prozesse, eine Plattform und einen Austausch, die das Reparaturgeschäft professionalisieren helfen. In dem Kontext gehen wir auch das Thema Nachwuchsförderung und Ausbildung an, denn die vorhandenen Instrumente werden nicht reichen, den Bedarf an Fachkräften zu decken. Dabei geht es auch darum, den Ausbildungsprozess zu vereinfachen und auch fachfremde Kräfte heranzuziehen und zu befähigen. Auch mit dem Einsatz moderner Technologien kann man hier in der Ausbildung noch viel verfeinern. Für uns ist klar: Reparatur ist kein Hobby, sondern ein Bereich, mit dem man Geld verdienen kann.
Wird die Industrie mit ihren vielfältigen D2C-Aktivitäten künftig auch im Kundendienst noch stärker zum Konkurrenten?
Es wird sicherlich Organisationen geben, die es selber machen wollen. Das Thema Direct-to-Customer hat ja viele Facetten. Man wird sich überlegen müssen, wer was gut kann. Im Sinne von Fokussierung muss sich auch die Industrie entscheiden, was sie wirtschaftlich sinnvoll selbst machen können und welche Reparaturen man in andere Hände legen sollte. Der Kunde entscheidet letztlich, was er bereit ist für eine Reparatur auszugeben. Die Reparierbarkeit wird aber auch bei der Kaufentscheidung künftig eine größere Rolle spielen – und wir sind gut beraten, die Kunden auch darauf hinzuweisen.
Was halten Sie vom Konzept der KOOP?
Ich war noch nie auf der KOOP. Was ich von vielen höre ist, dass es eine großartige Veranstaltung ist und unter Effizienz-Gesichtspunkten ist sie sicherlich auch besser als zwei Einzel-Veranstaltungen.
Unser Kongress ist deswegen ein großartiges Format, weil bei uns der Erkenntnisgewinn der Mitglieder im Fokus steht. Wir kuratieren ein Programm, dass den Mitgliedern ermöglicht, Dinge künftig anders und vor alle besser zu machen, mehr zu verkaufen und mehr Geld zu verdienen. Natürlich ist unser Kongress ein Zusatzaufwand für die Hersteller, aber wir bieten begrenzte Standflächen, die zur Konzentration auf das Wesentliche zwingen. Das ist für beide Seiten gut. Die KOOP ist bestimmt nicht schlecht. Ich bin davon überzeugt, dass für die Händler auf unserem Kongress das Maximum herauskommt. Und nur darum geht es: Um die Händler.
Was unterscheidet Ihre Mitglieder noch von Filialisten wie MediaMarktSaturn und Coolblue, die Kundenzufriedenheit und Weiterempfehlungsraten zum Maß der Dinge erklären?
Die große Stärke der Unternehmer vor Ort ist das bessere Verständnis der Kundschaft vor Ort und die Einschätzung des tatsächlichen Bedarfs. Das ist auch eine der ganz großen Stärken der Verbundgruppen: Der selbständige Händler mit seiner Kundennähe und Kundenkenntnis vor Ort. Und wir sehen auch, wie kommerziell erfolgreich dieses Modell ist.
Die Kunden wollen eine gute Lösung für ihre Aufgabenstellung. Und sie wollen nicht über den Tisch gezogen werden. Wenn ich heute meine Fläche nur dadurch bewirtschaftet bekomme, dass ich Dienstleister und Promotoren auf die Fläche stelle, dann ist das nicht die Lösung, die dem Kunden wirklich weiterhilft und ihn auf Sicht wirklich glücklich macht. Net Promotor Score ist eine tolle Marketing-Theorie, aber Praxis hilft. Deshalb finde ich es auch ganz toll, wenn ein Industriemanager mal mit dem Außendienst rausfährt. Es wäre sehr wichtig für die Vorstandsetagen, alle mal vor die Tür zu gehen und mit den Leuten zu reden, die auf der Fläche sind. Noch einmal: Praxis hilft.
Was ist heute für einen Mittelständler tödlich?
Fehlendes Prozessverständnis. Das Einzige, was wir heute von Amazon lernen müssen ist, dass Handel heute ein Technologiethema ist. Wir sind nicht mehr bei der Registrierkasse mit Kurbel. Wenn ich das nicht verstehe, bin ich in großer Gefahr.
Wenn Sie persönlich auf Ihre Zeit bei T-Mobile UK und Metro Cash&Carry Deutschland zurückblicken: Fühlt sich ein Konzern anders an, als das „Familienunternehmen“ ElectronicPartner?
Der Mittelstand hat ganz große Stärken, das ist vor allem das Thema Entscheidungsfreudigkeit. Die letzten achteinhalb Jahre hier bei ElectronicPartner haben mir gezeigt, dass hier auf allen Ebenen sehr schnell Fakten und emotionale Komponenten ausgetauscht und Entscheidungen getroffen werden. Und diese werden dann auch sehr konsequent umgesetzt. Es ist deutlich weniger Politik im Mittelstand. Und die großen Konzerne leiden darunter, dass Shareholder Value das heilige Lamm ist. Das führt zu Entscheidungen, die nicht immer im Interesse des Unternehmens sind.
Was ist Ihnen als Führungskraft wichtig?
Auf Englisch sagt man es so: „Culture eats strategy for breakfast“. Kultur im Unternehmen ist die Voraussetzung dafür, dass ich eine Strategie entwickeln und leben kann. Eine Strategie in einer ungesunden Kultur wird nie erfolgreich sein.
Zum einen gilt: Auch andere Menschen haben viele tolle Ideen. Und für mich gilt die Maxime: Mein Misstrauen muss man sich erstmal erarbeiten. Mit diesen beiden Regeln hat man eine gute Möglichkeit, Menschen dazu zu befähigen, Höchstleistungen zu vollbringen. Wertschöpfung und Wertschätzung hängen zusammen.
Was verbinden Sie mit dem Begriff „work-life-balance“?
Gute Arbeit definiert sich nicht darüber, wieviel Zeit ich im Büro verbringe. Wir praktizieren bei ElectronicPartner schon lange und erfolgreich ein new-work-Konzept. Es ist ein Geben und Nehmen. Entscheidend ist, dass am Ende auch geliefert wird. Aber ich glaube an das Gute im Menschen.
Herr Assmann, vielen Dank für das Gespräch.
FOTOS: ELECTRONICPARTNER
Autor: Joachim Dünkelmann
Dieser Artikel ist (in gekürzter Fassung) am 2. Mai 2025 erstmals erschienen in der Printausgabe von hitec Magazin, Ausgabe 5 / 2025.