Frank Schipper
"Online und stationär"

Er mag Golf, kommt aber viel zu selten dazu. In Lüdinghausen, zwischen Ruhrgebiet und Münster, betreibt Frank Schipper mit Unterstützung seiner Frau Barbara einen Elektronik-Fachmarkt mit Vollsortiment. Als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Euronics Deutschland und als Vorstandsvorsitzender im Handelsverband Technik (BVT) macht er aktiv Branchenpolitik und setzt sich ehrenamtlich für die Interessen seiner Kollegen ein – wodurch sein Golf-Handicap nicht besser wird.
hitec: Herr Schipper, wie ist Ihr Unternehmen bisher durch die Pandemie gekommen?

Frank Schipper: Das Jahr hat sich nahtlos an 2020 angefügt, die Umsätze sind nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass sich das Geschäft abschwächt, aber gerade in unserer Region konnten wir durch niedrige Inzidenzzahlen besser arbeiten, als andere Kollegen im Lockdown. Alle Sortimentsbereiche rund um den Heim-Komfort wachsen nach wie vor. Kleingeräte, Haustechnik, alles was mit PC zu tun hat, läuft hervorragend. Drucker sind permanent ausverkauft. Aber auch im Bereich TV merkt man bei großen Bildschirmen, dass die Leute nach wie vor bereit sind, sich ihr Zuhause schön zu machen und hier zu investieren.

Welche Umsätze erwarten Sie für die Branche in diesem Jahr?

Wenn die Normalität zurückkommt und die Menschen wieder verreisen können, wird sich das Business mittelfristig abflachen, vor allem im letzten Quartal. Die Menschen haben eine ungeheure Sehnsucht, wollen raus, wollen etwas sehen und erleben. Das Niveau, das wir in den ersten Monaten in unserer Branche hatten, werden wir nicht halten können.


„Der Kunde will beides, stationäre Kompetenz und Online-Präsenz", propagiert Schipper

Wird sich nach dem flächendeckenden Ende des Lockdowns der Internet-Anteil wieder normalisieren?

Ich sehe das zweigeteilt. Der Kunde hat sich ein Stück weit an den Komfort und die Möglichkeit der bequemen Bestellung am Wochenende gewöhnt. Das will er nicht mehr missen. Es wird ein nachhaltiger Trend zum Onlinekanal bleiben. Aber wir stellen fest, dass selbst bei Click & Meet, wo wir nur beschränkt Einlass in die Läden bieten können, der Kunde einen großen Drang dazu hat, wieder unsere stationären Läden zu besuchen. Er will Ware erleben, den Fernseher sehen und den Kühlschrank aufmachen – und er vermisst offensichtlich die persönliche Beratung, was uns besonders freut. Wir werden also letztlich einerseits eine Wiedererstarkung des stationären Handels mit seinen originären Stärken erleben, aber ein großer Teil der Kunden insbesondere im jüngeren Bereich hat sich an Onlineshopping gewöhnt.

Hat sich der Konsument denn wirklich verändert?

Wir leben jetzt ja schon relativ lange in der Pandemie und es haben sich gewisse Sachen in den Köpfen eingeschlichen, die die Menschen vorher gar nicht so kannten oder wollten. Das gilt vor allem auch für die ältere Generation, die das Einkaufen im Internet bislang manchmal abgelehnt hat. Vor allem dort, wo Click & Collect möglich war und ist, haben wir aber durchaus auch eine Dankbarkeit der Kunden beobachten können, dass jemand vor Ort für sie da ist, der ihm Ware aushändigt, sich um Service kümmert und über die möglichen Kanäle berät und hilft.

Die Handelsverbände haben sich massiv für den Handel eingesetzt. Sind sie mit den Erfolgen zufrieden?

Es ist erschreckend, wie lange die Politik die Zwangsschließungen im deutschen Einzelhandel verordnet, deutlich länger als in vielen europäischen Staaten mit viel schlechteren Inzidenzzahlen. Da fragen mich natürlich viele Kollegen, ob wir als Handel laut genug sind. Manch Unternehmer, der zum Beispiel gerade seine Altersvorsorge anzapft, empfindet die Zwangsschließung als Enteignung. Hinzu kommt, dass wir mit der Schließung laut verschiedener wissenschaftlicher Studien nicht einmal Infektionen verhindern! Auf jeden Fall wäre es den Unternehmern lieber, mit ihrem geöffneten Geschäft eigenes Geld zu verdienen, als am Tropf des Steuerzahlers zu hängen. Das erzeugt Unverständnis, Wut und Politikverdrossenheit – sicher nicht die beste Stimmungslage in einem Wahljahr.

Hat die Corona-Politik beim Einzelhandel versagt?

Die Politik hat sicherlich nicht alles richtig gemacht. In Sachen Impfstoffbesorgung und Teststrategie waren wir auch im Vergleich zu anderen Ländern zu langsam und zu spät. Es wurde dann durch die Schließung der Läden auch einfach von den eigenen Fehlentscheidungen abgelenkt. Wir nehmen Corona sehr ernst und haben in den Läden wirklich alles getan, um Infektionen zu vermeiden und Hygienevorschriften einzuhalten. Deshalb war und ist der Handel ja kein Hotspot. Da mit einer so rigorosen Lockdownpolitik vorzugehen, ist nicht nur überzogen, sondern geht sogar gänzlich am Thema vorbei.


In Lüdinghausen verwurzelt, aber beim Handelsverband Technik (BVT) und der Euronics Deutschland bundesweit aktiv

Die letzte BVT-Aktion „Wir wollen für Sie #wiederöffnen!" hat viel Beachtung gefunden. Glauben Sie, dass die Politik auf öffentlichen Druck reagiert?

Es hilft derzeit jeder einzelne Mosaikstein. Wir müssen der Politik ständig aufzeigen, wozu wir in der Lage sind und das von uns kein Risiko ausgeht. Viele Entscheider sind ja ein Stück weit abgestumpft, das müssen wir aufbrechen. Es ist ja nicht nur der BVT, sondern es gibt ja noch viele andere hilfreiche Initiativen, die es zu unterstützen lohnt. Wenn selbst erfolgreiche Klagen gegen Verordnungen dann dadurch umgangen werden, dass man einfach die Verordnung ändert ist doch klar, dass wir einen Bewusstseinswechsel in der Politik erreichen müssen. Deshalb müssen wir ständig und permanent zeigen: Wir sind bereit, wir sind nicht ansteckend, deshalb wollen wir jetzt sofort ohne Beschränkungen öffnen! Deshalb war die Aktion #wiederöffnen so wichtig.

Wenn Sie Schulnoten für Corona-Maßnahmen vergeben könnten: Was bekommen Bund und Länder von Ihnen?

Die Sache ist zu ernst für eine Pauschalschelte in Richtung Berlin. Im Gesundheitsbereich haben wir auch viel richtig gemacht. Im Gesamtpaket reicht es aber nicht für mehr als ein „ausreichend" oder „ausreichend minus". Die Länderpolitik hat mir – für NRW betrachtet – da schon besser gefallen, weil versucht wurde, individuelle Lösungen zu finden und dem Handel auch einmal entgegen zu kommen. Das war ein „befriedigend" mit viel Luft nach oben.

Ganz persönlich gesehen: Hat die Corona-Zeit Sie und Ihre Ansichten verändert?

Das ganze Thema hat uns alle verändert. Man hat plötzlich gemerkt, was es bedeutet, einen Teil seiner Freiheiten zu verlieren und was mit uns passiert, wenn unsere Rechte eingeschränkt werden. Persönliche Kontakte, Bewegungsfreiheit, Urlaub – all das fehlt. Wir haben ein Stück weit Demut gelernt und erkannt, was für Freiheiten wir hatten. Vielleicht sehen wir das auch künftig mit anderen Augen, denn die Pandemiegefahr wird unser Leben künftig begleiten. Ich sehne mich nach mehr Freiheit und einer Zeit, in der wir alle wieder gemeinsam mehr genießen können.

Was steht für Ihr Unternehmen in diesem Jahr ganz oben auf der To-Do-Liste?

Ich will mit allen Mitarbeitern meinen Laden wieder vollständig öffnen und meine Kunden so empfangen, wie vor der Pandemie! Mit allen Serviceaspekten, mit persönlicher Nähe, mit unbeschwerten Mitarbeitern, Kunden und vor allem einem sichtbaren Lächeln in den Gesichtern. Die Menschen und Mitarbeiter wieder als Ganzes und ohne Maske vor das Gesicht zu bekommen wäre schon großartig.


Frank Schipper mit seiner Frau Barbara in Ihrem Fachmarkt Euronics XXL Lüdinghausen

Wieso opfern Sie Ihre Freizeit für die Arbeit im BVT?

Mein Herzblut hängt an der Technik, mein ganzes Leben war schon technikerfüllt und mein Unternehmen ist es auch. Dementsprechend mache ich das auch gerne für meine Kollegen, denn wir sitzen doch alle in einem Boot und sind ein Stück weit voneinander abhängig. Wenn ich sehe, wie sich der Handel und die Branche verändert, dann haben wir doch viele gemeinsame Interessen, für die es einzustehen lohnt. Die Verschiebung in Richtung Online, der branchenfremde Vertrieb während der Pandemie – das alles betrifft meinen Laden, aber eben auch den meiner Kollegen. Deshalb muss ein Verband und eine Lobby da sein, die für alle Technikhändler steht. Ich mache das gerne, weil es wichtig und richtig ist.

Welches Thema bewegt Sie aktuell noch?

Direktvertrieb. Es scheint im Moment bei der Industrie Mode zu sein, Ware direkt an den Endkunden zu bringen. Wir müssen mit den Firmen offen darüber reden, dass es nur gemeinschaftlich geht. Wir werden den Direktverkauf nicht ändern und das kann ja auch jeder Lieferant für sich selbst entscheiden. Aber ich fände es nicht richtig, wenn diese Firmen uns dazu missbrauchen, um an die Daten unserer Kunden zu kommen. Das ist der falsche Weg. Lieferanten und Handel sollten sich gemeinschaftlich um den Kunden kümmern. Gerade in der Pandemiephase ging der Trend in eine Richtung, die langfristig nicht funktionieren kann. Klar ist: Der Kunde will beides, stationäre Kompetenz und Online-Präsenz. Und es setzen sich die Plattformen durch, die beides können. Das kann man nicht alleine.

Herr Schipper, herzlichen Dank für das Gespräch!

FOTOS: EURONICS / PRIVAT

Das Gespräch führte: Joachim Dünkelmann

Dieser Artikel ist am 1. Juni 2021 erstmals erschienen in der Printausgabe von hitec Magazin, Ausgabe 6/2021.

 

Schlagwörter

Frank Schipper, Interview des Monats, Euronics, BVT, Handelsverband Technik

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