EU-Kommission
"Recht auf Reparatur"

Es grünt so grün? Ehrlicherweise kann niemand ernsthaft gegen Reparierbarkeit von Elektro- und Elektronikgeräten sein. So wundert es auch nicht, dass der Vorschlag der EU Kommission zum „Recht auf Reparatur" grundsätzlich auf überwiegend positives Echo stößt. Doch das am 22. März vorgestellte Regelwerk, das im Amtsdeutsch „Vorschlag der Europäischen Kommission für gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren" heißt, hat noch so manchen Schönheitsfehler. Und auch im bevorstehenden Trilogverfahren – also dem Abstimmungsprozess aus Kommission, EU Parlament und Rat – kann auf dem Weg zur fertigen EU Richtlinie noch so Einiges schief gehen ...
Die gute Nachricht: Weder eine Verlängerung der Gewährleistung auf die zu erwartende Lebensdauer steht in dem Kommissionsvorschlag drin, noch eine Einbeziehung des Händlers in die Haftung. Beides hatten unterschiedliche Interessengruppen gefordert, aber die Kommission blieb realistisch. Abschließend bewerten kann man das Regelwerk also erst in 12 bis 16 Monaten, denn so lange dauert das in Brüssel für gewöhnlich. Den Status Quo fasst „hitec news" für Sie zusammen.
 


Will Apple und Co. "an den Kragen": Anna Cavazzini, Grüne/EFA-Fraktion
FOTO: ANNA CAVAZZINI

Betroffen sind von dem Regelwerk folgende Geräte: Haushaltswaschmaschinen und -trockner, Haushaltsgeschirrspüler, Kühlgeräte, elektronische Displays, Schweißgeräte, Staubsauger sowie Server und Datenspeicherungsvorrichtungen. Später in die Liste aufgenommen werden Mobiltelefone, Schnurlostelefone und Tablets. So viel vorweg: Der Handel ist durch die geplante Vorschrift (Stand heute) weitgehend nicht unmittelbar betroffen. Das Regelwerk greift erst nach dem Kauf ein und bleibt somit zuerst einmal ohne direkte Auswirkungen auf Kaufvertrag und Gewährleistungsrechte - mit Ausnahme des eingeschränkten Wahlrechts auf Ersatz oder Nachbesserung. Die neuen Verbraucherrechte auf Reparatur setzen in der Regel beim Hersteller an – dazu später mehr im Detail. Der Händler ist durch das „Right to Repair" nur dann unmittelbar betroffen, wenn er entweder selbst Importeur ist und damit auch sonst mit den gleichen Pflichten und Haftungen wie ein Hersteller konfrontiert ist. Oder aber, ein Händler bietet selbst auch Reparaturdienstleistungen an – dann gibt es künftig (je nach weiterem Gesetzgebungsverfahren) eine Reihe von Dingen, die es zu beachten gilt.


Will einen positiven Beitrag zur Kreislaufwirtschaft: Didier Reynders, EU-Justizkommissar
FOTO: EU COMMISSION, PHOTOGRAPHER AURORE MARTIGNONI

Warum das Ganze? Die Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz und Verhandlungsführerin für das Recht auf Reparatur für die Grüne/EFA-Fraktion Anna Cavazzini bringt ihre Ziele folgendermaßen auf den Punkt: „Heimwerker, Tüftler*innen und unabhängige Werkstätten brauchen Zugang zu Ersatzteilen und Anleitungen, damit Apple und Co. nicht länger die Regeln der Reparatur diktieren können. Schließlich müssen wir für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft Hersteller*innen stärker in die Verantwortung nehmen, was mit ihrem Produkt in dessen Lebenszeit über Reparatur bis zum Recycling geschieht." Das macht schon klar, wohin die Reise gehen soll: Mit dem europäischen Recht auf Reparatur heißt es reparieren statt wegwerfen. Was sich anhört wie der Schlachtruf von Wertgarantie nimmt die Hersteller weitreichend in die Pflicht. Der zuständige EU-Kommissar für Justiz und Verbraucherschutz Didier Reynders lässt keinen Zweifel: „Mit diesen neuen Maßnahmen werden die Verbraucher/innen die Instrumente erhalten, die sie benötigen, um sich für eine Reparatur zu entscheiden und einen positiven Beitrag zur Kreislaufwirtschaft zu leisten. Damit wird auch eine wichtige Botschaft an die Unternehmen gesendet, dass sich nachhaltige Geschäftsmodelle und Investitionen in Reparaturen auszahlen." In Klartext: Die Eurokraten gehen tatsächlich davon aus, dass auf Herstellerseite in den kommenden 15 Jahren Einsparungen in Höhe von rund 15,6 Mrd. Euro erzielt werden können, da Waren nicht länger im Rahmen der gesetzlichen Garantie kostenlos ersetzt, sondern repariert werden. Wie das genau funktionieren soll? Die Antworten hierauf konnte Ihr hitec-Team bis Redaktionsschluss nicht recherchieren – und fraglich ist, ob plausible Antworten jemals rauskommen ...

Das „Pflichtenheft" des Regelwerks wird teuer. Im Paket geschnürt:

  • Ein Anspruch der Verbraucher auf Reparatur von Produkten, die nach EU-Recht technisch reparierbar sind.
  • Verbraucher sollen sich jederzeit an jemanden wenden können, wenn sie sich für eine Reparatur ihres Produkts entscheiden.
  • Die Verpflichtung der Hersteller zur Unterrichtung der Verbraucher über die Produkte, die sie selbst reparieren müssen.
  • Die Einrichtung einer Matchmaking-Reparaturplattform im Internet, um Verbraucherinnen und Verbrauchern die Kontaktaufnahme zu Reparaturbetrieben und Verkäufern instandgesetzter Waren in ihrer Region zu ermöglichen.
  • Die Entwicklung von einem europäischen Formular für Reparaturinformationen, das die Verbraucher/innen von jedem Reparaturbetrieb (vor dem Auftrag) verlangen können – inklusive Reparaturpreis und -dauer.
  • Ein europäischer Qualitätsstandard für Reparaturdienstleistungen soll entwickelt werden. Dieser Standard für eine „einfache Reparatur" steht allen Reparaturbetrieben in der gesamten EU offen, die bereit sind, sich zu Mindestqualitätsstandards, etwa in Bezug auf die Lebensdauer oder die Verfügbarkeit von Produkten, zu verpflichten.

Sieht eine Stärkung der Reparaturkultur: Carine Chardon, ZVEI
FOTO: ZVEI / MARKUS SCHUELLER

Wie sieht's die Industrie? Laut dem ZVEI ist der Kommissionsvorschlag ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Reparaturkultur. Carine Chardon, Bereichsleiterin Consumer beim ZVEI: „Im Defektfall ist eine Reparatur vorzuziehen. Denn in vielen Fällen ist unter Abwägung von Herstellung, Transport, Nutzung und Entsorgung eine Reparatur ökologisch sinnvoll. Der ZVEI hält den Kommissionsvorschlag für geeignet, die Reparaturkultur zu stärken und zu fördern. Wichtig ist, dass es einen europäischen Rahmen für das Recht auf Reparatur gibt und es damit nicht zu unterschiedlichen nationalen Regelungen kommen kann. Der Vorschlag der EU-Kommission geht in die richtige Richtung." Der IT-Industrie geht die Vorlage aus Brüssel nicht weit genug. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder: „Ein gesetzlich verbrieftes ‚Recht auf Reparatur' kann zur Langlebigkeit der Geräte beitragen, es reicht aber nicht aus. Wer Reparaturen von Geräten fördern will, muss die richtigen Anreize setzen. Eine Mehrwertsteuersenkung auf Ersatzteile und Reparaturdienstleistungen für IT-Hardware wie Smartphones und Laptops wäre ein solcher Anreiz, der direkt und unmittelbar wirkt." Damit einher müsste auch eine Förderung zur Nutzung wiederaufbereiteter Produkte (Refurbished-IT) gehen.


Wünscht sich eine Mehrwertsteuersenkung auf Reparaturen: Bernhard Rohleder, Bitkom
FOTO: BITKOM

Das Kapitel ist noch nicht abgeschlossen. So gibt es neben dem Kommissionsvorschlag vor allem aus dem EU-Parlament, insbesondere in Person der Grünen-Politikerin Cavazzini, noch jede Menge „Verbesserungsvorschläge". So wird das Thema die Branche die nächsten Monate noch intensiv beschäftigen. Auch, wenn das Recht auf Reparatur frühestens in 16 Monaten zu europäischem Recht und noch viel später national umgesetzt wird, lohnt es sich schon jetzt, sich mit dem Thema intensiv auseinander zu setzen ...

FOTOS: DUH DEUTSCHE UMWELTHILFE, EU KOMMISSION, ZVEI, BITKOM, ANNA CAVAZZINI

Autor: Joachim Dünkelmann

Dieser Artikel ist am 29. März 2023 erstmals erschienen in "hitec news", dem 14-tägigen Branchen-Newsletter.

  

Schlagwörter

EU Kommission, ZVEI, Bitkom

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