Dr. Stefan Müller
"expert in Feierlaune"

In diesem Jahr kommt man in Langenhagen aus dem Feiern nicht mehr raus: 60 Jahre expert, 40 Jahre Eigenmarke Kendo, 40 Jahre expert Technik. Gut 20 Jahre ist Dr. Stefan Müller mit dabei, zunächst als Vorstand für IT und Logistik, seit Dezember 2018 als Vorstandsvorsitzender der expert SE. Mit der hitec-Redaktion sprach der am Aachener Lehrstuhl für Produktionssystematik promovierte Maschinenbauer Müller über das Erfolgsmodell Fachhandel und die Notwendigkeit, sich auch in einer digitalen Welt persönlich zu treffen.
hitec: Herr Dr. Müller, ein berühmter Kooperations-Chef hat vor 20 Jahren vorhergesagt, bald gebe es nur noch zwei Kooperationen in der Branche und beide beginnen mit „e" – wann ist es denn soweit?

Dr. Stefan Müller: Naja, da kommen sicherlich einige für dieses Zitat in Frage – aber ich kann die Aussage nicht mehr nachvollziehen. Ich denke, alle „e"-Kooperationen haben eine Daseinsberechtigung mit ihren Konzepten – und nach vorne halten wir uns aus Spekulationen heraus.

Die digitalen Veranstaltungsformate sind notgedrungen gut bei den Händlern angekommen. Brauchen wir noch physische Treffen wie Verbundgruppen-Messen und Jahresveranstaltungen?

Der Zuspruch unserer Gesellschafter hinsichtlich unserer notgedrungenen virtuellen Veranstaltungen war sehr positiv, über 90 Prozent der Gesellschafterbetriebe nahmen teil. Trotzdem besteht der Wunsch und die Notwendigkeit nach persönlichem Austausch, das merken wir auch aktuell im Rahmen der Vorbereitung unseres IFA-Auftritts und unserer Hauptversammlung im September. Wir sind der festen Überzeugung, dass persönliche Kontakte durch nichts zu ersetzen sind. Präsenztermine zahlen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen ein und die Kommunikation ist außerdem erfahrungsgemäß schneller, intensiver und situationsbezogener. Gleichzeitig haben wir beispielsweise im Rahmen der hybriden expert-HV 2021 gelernt, dass eine Kombination aus einer Präsenzmesse und einem virtuellen Part das Veranstaltungskonzept der Zukunft sein wird. Mit einem hybriden Format können die Vorteile einer virtuellen Veranstaltung – Kosteneffizienz, Zeitersparnis, verbesserte CO2-Bilanz – mit denen einer Präsenzveranstaltung, wie situationsbezogener Austausch und Produkte live erleben zu können, verknüpft werden.


„Der Bedarf an einer IFA als Präsenzveranstaltung groß", so expert-Chef Dr. Stefan Müller

Was erwarten Sie von der diesjährigen IFA? Und wie schauen Sie auf die KOOP 2023?

Wir blicken voller Vorfreude auf die anstehende IFA, die wir auch in diesem Jahr als Teilnehmer und Aussteller unterstützen werden. Denn sie ist und bleibt die bedeutende Plattform in der Branche für neue und innovative Elektronikprodukte. Wir befinden uns in der aktiven Vorbereitungsphase und der Zuspruch unserer Partner zeigt ganz deutlich, dass der Bedarf an einer IFA als Präsenzveranstaltung groß ist – wir freuen uns somit sehr auf das persönliche Treffen in Berlin 2022. Denn wie bereits gesagt, sind persönliche Kontakte für uns unersetzlich. Und unsere Besucher können sich in unserer expert-Halle auf ein spannendes Konzept freuen, das die Bereiche Family Entertainment, Gaming und Lifestyle umfasst.

Ich freue mich auf die KOOP 2023 und bin zuversichtlich, dass wir unsere Kooperationsmesse dann endlich wie ursprünglich geplant in Präsenz durchführen können. Pandemiebedingt mussten die letzten beiden Veranstaltungen rein virtuell stattfinden, aber wir sind uns einig, dass eine physische Messe unabdingbar ist. So bin ich überzeugt, dass wir die KOOP als langfristige Synergiemesse für die Branche etablieren werden.

Werden Sie von der Messe Berlin und gfu in die strategische Zukunftsplanung der IFA einbezogen?

Nein, leider nicht direkt. Aber wir leisten indirekt – also über unsere Industriepartner und unsere klare Position für eine IFA sowie unsere aktive Teilnahme – einen Beitrag für dieses wichtige Messeevent.

„Kendo" feiert Geburtstag. Welche Rolle spielt Ihre Eigenmarke und was für Aktionen sind geplant?

expert besticht bereits seit mittlerweile über 40 Jahren mit einem eigenen Produktportfolio der Marke Kendo und konnte sie in dieser Zeit als vertrauenswürdige Marke aufbauen und etablieren. Wir haben das 40. Jubiläum vergangenes Jahr zum Anlass genommen, um den Markenauftritt mit Premium Designs und Spezifikationen zu überarbeiten und diesen noch jünger und moderner zu präsentieren. Gleichzeitig erweitern wir unser Portfolio gezielt mit vielen tollen und innovativen Produkten, beispielsweise True Wireless Kopfhörern, DAB+ Radios, Zubehör, Sticksaugern oder Musikboxen. Dabei wurde das Sortiment gezielt nach Wachstumssegmenten ausgebaut, um den Kunden ein interessantes und vielfältiges Angebot bieten zu können. Wir sind die einzige Verbundgruppe in der Elektronikbranche mit einer Eigenmarke und überzeugt, unseren Kunden mit diesen Produkten bei einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis einen ansprechenden Mehrwert bieten zu können.


„Mit dem hochmodernen Logistikzentrum in Langenhagen investieren wir in die Zukunftsfähigkeit der Verbundgruppe", so Müller

Zudem legen wir bei den Produkten großen Wert auf das Thema Nachhaltigkeit. Das zeigt sich auch anhand der Materialien in unseren neuen Produkten: die Verpackungen sind kunststofffrei und zu 100 Prozent recycelbar. Außerdem kooperieren wir mit der Organisation Plastic Free Planet, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Ozean per Hand von Plastikmüll zu befreien. Die Menge an Plastik, die wir für die Produktion benötigen, wird dabei 1:1 von Plastic Free Planet aus dem Ozean gefischt und recycelt. Somit minimieren wir den ökologischen Fußabdruck unserer Produkte und leisten einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz. Das neue Produktportfolio von Kendo können die Besucher in unserer expert-Halle auf der IFA erleben.

Welche Aktionen darf man in diesem Jahr noch zum expert-Jubiläum erwarten?

Unsere Kunden können sich auf verschiedene attraktive Jubiläumsangebote im Verlauf des Jahres freuen. Leider konnten und können wir unser Jubiläum nicht in der Form und mit der überschwänglichen Freude feiern, wie wir es geplant hatten – aber auch hier muss man den weltpolitischen Entwicklungen Rechnung tragen.

Welche Bedeutung hat eine leistungsfähige Logistik für eine Verbundgruppe?

Wir freuen uns, dass wir unser expert Fulfillment Center eFC in unserem Jubiläumsjahr in Betrieb nehmen konnten. Mit dem hochmodernen Logistikzentrum in Langenhagen investieren wir in die Zukunftsfähigkeit der Verbundgruppe, sichern Wettbewerbsvorteile und setzen ein starkes Signal in die Standortsicherung. Das neue eFC schafft flexible Wachstumsmöglichkeiten hinsichtlich Bestellverhalten und Produktinnovation sowie Raum für Filialzuwachs und eine höhere Onlineverfügbarkeit. Gleichzeitig ist durch das moderne Logistikzentrum die vom Großteil der Kunden erwartete on time delivery und Full Service möglich, bei gleichbleibender Wirtschaftlichkeit. Zudem wird unter anderem durch den Einsatz einer Photovoltaikanlage, E-Ladestationen für Pkw und papierlose Mehrwegtransportbehälter ein starker Fokus auf eine nachhaltige Logistik gelegt. Eine hohe Lieferqualität und kurze Auftrags-Durchlaufzeiten runden die neuen Potenziale ab. Es ist somit ein wichtiger Stützpfeiler für die langfristige Zukunftsfähigkeit der expert-Gruppe.


"Wir gehen von einem guten Saisongeschäft für expert aus."

Wie bereitet man sich im Umfeld von Lieferengpässen, Inflation und Corona-Unsicherheit auf das Saisongeschäft vor?

Wie in der gesamten Branche sind diese unvorhersehbaren Rahmenbedingungen auch für uns eine große Herausforderung. Wir tragen bestmöglich im Rahmen der Möglichkeiten dafür Sorge, dass wir alle Produkte in ausreichender Stückzahl vorrätig haben. Dafür stehen wir in vertrauensvollem Austausch mit unseren Industrie- und Dienstleistungspartnern und natürlich ist dabei eine partnerschaftliche Zusammenarbeit unabdingbar. Wir haben zurzeit einen angemessenen Warenbestand, der die aktuellen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Gleichzeitig fokussieren wir uns in unseren Regiebetrieben auf Upselling, Cross-Selling und Dienstleistungsverkauf und bieten dahingehend Schulungen für unsere Gesellschafter und ihre Mitarbeiter. Denn durch diese Zusatzverkäufe ermöglichen wir nicht nur den Kunden einen großen Mehrwert, sondern steigern auch den Ertrag pro Bon. So sind wir gut vorbereitet und zuversichtlich – und gehen von einem guten Saisongeschäft für expert aus.

Warum ist der inhabergeführte Fachhandel aus Ihrer Sicht auch morgen noch ein Erfolgsmodell?

Unsere Kunden wünschen sich zum einen eine kompetente Beratung, ganz auf ihre individuellen regionalen Bedürfnisse zugeschnitten. Das können wir mit unseren bestens qualifizierten Fachberatern, die in der Nachbarschaft unserer Kunden leben, gewährleisten. Zudem möchten die Konsumenten sortimentsbezogen und nicht markenbezogen einkaufen. Wir bieten ihnen eine ausgewählte Marktübersicht inklusive Testmöglichkeit und unabhängigen Erfahrungsberichten. Besonders das Ausprobieren und Erleben bietet einen elementaren Mehrwert zum Onlinehandel. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Funktion und Leistung nur der inhabergeführte Fachhandel bieten kann. Denn die Kunden erkennen den Unterschied, den ein Unternehmer ausmacht.

Herr Dr. Müller, vielen Dank für das Gespräch!

FOTOS: EXPERT

Autor: Joachim Dünkelmann

Dieses Interview erscheint am 30. August 2022 in der Printausgabe von hitec Magazin, Ausgabe 9/2022.

 

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