Dr. Sara Warneke
"Zukunft der IFA"

Als Veranstalterin der IFA entscheidet die gfu Consumer & Home Electronics GmbH über die Zukunft der Branchenleitmesse. Dr. Sara Warneke sitzt hier als Geschäftsführerin der gfu auf einem entscheidenden Posten. Seit dem 1. September 2020 führt die promovierte Volkswirtin die gfu, deren Gesellschafter namhafte Consumer Electronics- und Hausgeräte-Hersteller sind. Wer die IFA in Zukunft wo und wie ausrichtet war in den letzten Monaten häufig Gegenstand von Medienberichten und Spekulationen. hitec sprach mit Warneke über die Zukunft von Leitmessen, Pandemiefolgen und natürlich die IFA.
hitec: Frau Dr. Warneke, die Berichte in der Tagespresse rund um die IFA sind voll von Spekulationen. Müssen wir uns um die IFA Sorgen machen?

Dr. Sara Warneke: Das wichtigste zuerst: Nein, es muss sich niemand Sorgen um die IFA machen, erst recht nicht um die IFA 2022. Es ist wirklich Einiges in der Presse berichtet worden, über das auch wir uns gewundert haben. Abgesehen vom Inhalt entspricht die Art und Weise nicht unserem Kommunikationsstil. Wir als gfu sind der Meinung, dass man erst dann kommuniziert, wenn etwas wirklich spruchreif ist. Berichte über laufende Vertragsverhandlungen oder auch Personalentscheidungen der Messe Berlin werden wir jedenfalls nicht kommentieren. Wir finden das nicht hilfreich.

Ärgert Sie das? Und geht es bei den Gesprächen mit Clarion tatsächlich um Geld?

Uns hat überrascht, dass viele Medienberichte am eigentlichen Thema, nämlich wie eine erfolgreiche Ausrichtung der IFA in Zukunft aussehen muss, vorbei gehen. Unsere Motivation zu einer Neuausrichtung der IFA ist nicht primär eine Frage des Geldes, sondern die nach einer zukunftsorientierten Messe. Allerdings müssen dafür Investitionen getätigt werden – insofern spielt auch Geld eine Rolle.


"Bei allen Standorten gibt es immer Argumente pro und contra."

Die IFA 2022 steht vor der Tür, aber die Verträge mit der Messe Berlin laufen noch bis 2023. Gibt es denn Zeitdruck von Ihrer Seite?

Aufgrund der noch laufenden gültigen Verträge besteht akut kein Zeitdruck. Wie immer haben wir uns aber mit einem zeitlichen Vorlauf über eine Vertragsverlängerung ausführlich Gedanken gemacht. Dies ist übrigens auch in der Vergangenheit übliche Praxis gewesen. Konkret darf nach zwei Jahren Pandemie die Frage erlaubt sein, ob das bisherige beziehungsweise derzeitige Setting das ist, welches die IFA in Zukunft weiterbringt. Dazu gehört auch die Frage, was die Messegesellschaft, die die Ausrichtung der IFA gemeinsam mit uns übernommen hat, leistet und leisten will. In der aktuellen Situation brauchen wir eine Perspektive und Investitionen in das Konzept. Die Pandemie und die Situation auf den Weltmärkten haben neue Parameter gesetzt, auf die auch wir reagieren müssen.

In welche Richtung sollte das Konzept denn gehen?

Es müssen idealerweise Plattformen entstehen und Netzwerke wachsen, die auch unterjährig genutzt werden können. Eine Messe wie die IFA darf sich nicht auf fünf Spätsommertage in Berlin beschränken. Die von Dritten eröffnete Standortdiskussion war dabei eigentlich völlig unnötig, denn wir haben durchaus ein Interesse an Kontinuität. Letztlich muss die Messe dort stattfinden, wo die größte Menge der teilnehmenden Aussteller, Fachbesucher und Medienvertreter sie haben will. Bei allen Standorten gibt es immer Argumente pro und contra - und es hat schon erfolgreiche Standortwechsel von Leitmessen gegeben. Aber den weiteren Gesprächen möchten wir hier nicht vorgreifen.

Gibt es denn Vorbilder für die IFA?

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass einst erfolgreiche internationale Leitmessen wie die CeBIT oder photokina nicht automatisch weiter bestehen. Zudem gibt es auch Erfahrungen bei anderen Veranstaltungen, wo die aktive Mitgestaltung durch die Messegesellschaft nicht zwingend erforderlich ist, um eine Messe erfolgreich durchzuführen. Beispiele für funktionierende Leitmessen, die Messegesellschaften als Gastveranstaltungen durchführen, gibt es genug. Entscheidend ist, dass Trends erkannt werden und Investitionsbereitschaft besteht.

Und das war in Berlin nicht der Fall?

Angesichts unserer Gespräche mit der Messe Berlin erschien es sicher, dass das Land Berlin als Gesellschafter nicht bereit ist, die erforderlichen Mittel in die Hand zu nehmen. Dies war der Grund, uns auch nach alternativen Partnern umzusehen. Aus unserer Sicht muss stark an der Konzeption der IFA gearbeitet werden. Diese Präferenz haben wir sehr deutlich gemacht. Das Bestreben der Berliner Messegesellschaft war hingegen eher auf die Vermietung von Fläche ausgerichtet. Das war uns an dieser Stelle nicht genug. Auf der Suche nach einer strategischen Partnerschaft haben wir deshalb auch nicht den finanzstärksten Investor gesucht, sondern einen Partner mit großem Know-how. Clarion hat sich hier als sinnvoller Partner profiliert.

In 2022 stehen nicht alle gfu-Gesellschafter auf der IFA-Ausstellerliste – warum?

Da die Headquarter vieler Unternehmen in anderen Teilen der Welt liegen, werden die Entscheidungen zur IFA-Teilnahme nicht nur hier in Deutschland beziehungsweise Europa getroffen. Und diese Entscheidungen werden meist mit großem zeitlichen Vorlauf getroffen. Die Unternehmen mussten sich also zu einem Zeitpunkt entscheiden, als noch viel Unsicherheit über die Corona-Situation im September bestand. Außerdem gab und gibt es auch weiterhin in der Welt noch pandemie-bedingte Reiserestriktionen. Wir versuchen jedoch, die nötigen Entscheidungshilfen zu liefern und sind sicher, dass sich das in Zukunft wieder ändert.

Jens Heithecker und Dirk Koslowski sind nicht mehr im IFA-Team. Laufen die Messevorbereitungen trotzdem nach Plan?

Die Personalentscheidungen der Messe Berlin wird die gfu nicht kommentieren, wenngleich der Zeitpunkt durchaus bemerkenswert war. Es ist aber festzuhalten, dass vom kompletten IFA-Team bereits sehr viel Vorarbeit geleistet wurde, auf die das neue Führungsteam aufsetzen kann. Und sowohl bei der Messe Berlin, als auch bei der gfu sind viele Mitarbeiter:innen mit langer IFA-Erfahrung weiterhin im Einsatz. Wir befinden uns also aus unserer Sicht mit der Planung und Durchführung der IFA 2022 in sicherem Fahrwasser. Seitens der gfu stehen wir in einem sehr engen und täglichen Austausch mit der Leitung und dem Team und wir unterstützen vor allem auch dort, wo Know-how verschwunden ist.


"Wir brauchen eine erfolgreiche Show für alle Beteiligten."

Worin sehen Sie die Hauptaufgabe der IFA?

Die IFA von morgen soll weiterhin den größtmöglichen Nutzen für Ihre Zielgruppen liefern: Die Aussteller, die Fachbesucher und die Medien. Die IFA soll weiterhin und noch stärker eine Plattform sein, die die Innovationskraft unserer Branchen mit ihren faszinierenden Produkten und Dienstleistungen an eine breite Öffentlichkeit kommuniziert. Wir brauchen eine erfolgreiche Show für alle Beteiligten und nicht einen wirtschaftlichen Erfolg für die gfu, wie einige unterstellen.

Was dürfen wir von der IFA 2022 erwarten? Wird sie spürbar schlanker?

Die Einschränkungen durch die Pandemie sind – wie bereits erwähnt – weltweit immer noch zu spüren. Vor allem bei Ausstellern und Besuchern aus Fernost, aber auch aus anderen Teilen der Welt gibt es noch Beschränkungen von vielen Seiten. Es wird sehr schön sein, sich in diesem Jahr mit der Branche auf der IFA wieder zu begegnen, aber wir dürfen uns nichts vormachen: Das Niveau von 2019 werden wir noch nicht wieder erreichen. Die aktuelle Planung deutet auf eine Auslastung des Geländes von rund 80 Prozent hin, was unseres Erachtens nach einer Pandemie ein großer Erfolg ist. Aber auch wenn wir etwas kleinere Brötchen backen müssen und nicht alle Aussteller wieder dabei sind, werden wir 2022 mit einer sehr starken und erfolgreichen IFA auftreten.

Frau Dr. Warneke, vielen Dank für das Gespräch.

FOTOS: GFU, MESSE BERLIN

Autor: Joachim Dünkelmann

Dieser Artikel erscheint am 12. Juli 2022 in der Printausgabe von hitec Magazin, Ausgabe 7-8/2022.

 

Schlagwörter

gfu, IFA, Messe Berlin

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