Dirk Wittmer
"Besser durch die Krise"

Er denkt und redet schnell. Sehr schnell. Er ist Fachhändler mit Leib und Seele: Dirk Wittmer ist in der Branche bekannt wie kein zweiter. Engagiert und leidenschaftlich setzt sich der Fachhändler in Verbundgruppe und Handelsverband für die Interessen des mittelständischen Handels ein. Er ist der „Macher" in seinem „Laden" Euronics XXL Johann+Wittmer in Ratingen und Aufsichtsratsvorsitzender von Euronics Deutschland. hitec hatte Fragen zu Corona-Pandemie, Krisen-Ängsten und der Zukunft des Fachhandels – und Dirk Wittmer antwortet mit Optionen, Investitionsbereitschaft und Menschlichkeit.
hitec: Herr Wittmer, wenn Sie das Wort Lockdown hören: Was löst das in Ihnen aus?

Dirk Wittmer: In erster Linie ist unser tägliches Handeln der Motor, der uns antreibt. Bedingt durch den neuen Lockdown ist eben dieser wieder ins Stocken geraten. Durch die erneut abrupte Schließung des Einzelhandels sind wieder viele neue Herausforderungen entstanden, mit denen wir uns nach dem ersten Lockdown im März eigentlich nicht mehr beschäftigen wollten. Dabei stehen neben den wirtschaftlichen Aspekten und den veränderten Prozessen im Unternehmen auch viele individuelle Sorgen von Kunden und Mitarbeitern im Vordergrund, die uns derzeit bewegen.

In manchen Medienberichten wird unsere Branche als Krisengewinner beschrieben. Fühlen Sie sich als Gewinner der Krise?

Ich meine nicht, dass es der richtige Ausdruck ist, einen Gewinner in einer weltweiten Gesundheitskrise zu küren. Sicherlich hat die Pandemie dazu geführt, dass sich die Menschen mehr um ihr Zuhause als Rückzugsort gekümmert haben. Der Slogan der Euronics "für dein bestes Zuhause der Welt", hat den Nerv der Zeit getroffen und so konnten wir zur richtigen Zeit und am richtigen Ort die Bedürfnisse und Wünsche unserer Kunden erfüllen. Kunden haben in den letzten Monaten atypisch und vorverlagert bestimmte Produktgruppen vermehrt nachgefragt, was wiederum zu einer wesentlichen Umsatzsteigerung geführt hat. Die Einschränkungen wie weniger Reisen, weniger Freizeitaktivitäten, mehr Homeoffice oder Homeschooling haben dabei dem Elektronikhandel geholfen. Dadurch ist dieser im Vergleich zu anderen Branchen besser durch die bisherige Krise gekommen.


„Derzeit gibt es innerhalb der Händlerschaft viel Unsicherheit. ... Es gibt unkalkulierbare Faktoren, die wir kaum beeinflussen können. Daher gibt es mehrere Szenarien in der ersten Jahreshälfte, auf die wir uns derzeit strategisch vorbereiten."

Für das Onlinegeschäft war Corona ein Brandbeschleuniger. Lässt sich die Schraube noch einmal zurückdrehen?

Die Weichen wurden sicherlich schneller als erwartet und teilweise gewollt auf Zukunft gestellt. Uns war schon lange vor der Corona Pandemie bewusst, dass der Erfolg des stationären Handels von einer umfassenden Multi-Channel-Strategie abhängt. Unsere Euronics Zentrale hat bereits in den letzten Jahren einen überaus erfolgreichen Weg bestritten und jeden einzelnen Händler darauf vorbereitet. Sicher ist, dass uns durch den Lockdown auch Prozesse aufgefallen sind, die wir bisher vernachlässigt haben. So verstehen wir den „Brandbeschleuniger" eher als Evolution, die digitale Transformation in unserem Unternehmen voranzutreiben und gestärkt in Richtung Zukunft zu gehen.

Was halten Sie davon, dass einige Hersteller im vergangenen Jahr ihre Direktvertriebsaktivitäten forciert haben?

In einer guten Partnerschaft sollte immer offen und ehrlich über Dinge gesprochen werden, die beide Seiten betreffen. Leider ist es nicht immer so und teilweise wurde die klassische Rollenverteilung von Lieferant und Händler massiv aufgelöst. Für den Einzelhandel ist es daher wichtig zu prüfen, welche Rahmenbedingungen noch existieren und ob es sinnvoll ist, diese weiterzuführen. Passt die Handelsspanne noch, sind Geräte priorisiert auch für den stationären Handel verfügbar? Werden Rabatte und Zugaben, die Endkunden angeboten werden, auch dem Händler angeboten und welche Handlingskosten werden von Lieferanten noch übernommen, wenn er die Ware ausliefert oder den After Sales Service bietet? Das sind nur einige Themenbereiche, die für eine gute Partnerschaft zwischen Lieferanten und Handel wichtig sind.

Wenn Sie die Rolle der Verbundgruppen im vergangenen Jahr bewerten müssten, welche Noten geben Sie den anderen und ihrer eigenen Kooperation?

Natürlich kann ich nur für unsere Kooperation Euronics sprechen. Schnell, zuverlässig und zukunftsorientiert – das sind die wesentlichen Merkmale, die mir für eine Bewertung einfallen. Denn nur die schnell getroffenen Maßnahmen bei der Anpassung an die veränderten Situationen, die zuverlässige Arbeit der Zentrale im Bereich Marketing, Warendisposition, Lieferfähigkeit und Liquiditätssicherung der Mitglieder und die ständige Beobachtung der aktuellen Situation um sich der Zukunft zu stellen, haben uns in diesem Jahr sehr geholfen. Sicherlich gibt es immer Luft nach oben, aber wenn ich diese mit einer Schulnote beurteilen müsste, würde ich all diese Leistungen mit einer sehr guten 2+ bewerten.


„Uns war schon lange vor der Corona Pandemie bewusst, dass der Erfolg des stationären Handels von einer umfassenden Multi-Channel-Strategie abhängt. ... Sicher ist, dass uns durch den Lockdown auch Prozesse aufgefallen sind, die wir bisher vernachlässigt haben."

Bitte beenden Sie den Satz: Die Förder- und Hilfsprogramme von Bund und Ländern waren bisher ...

... gut gemeint und auch sehr umfangreich. Dabei gab es jedoch viele bürokratische Hürden, die teilweise schwer zu händeln waren.

Zurückblickend: Was hätten Sie in Ihrem Unternehmen im vergangenen Jahr besser machen können?

Besonders wichtig war und ist uns die Sicherheit unserer Kunden und vor allem der Mitarbeiter*innen. Das ist uns über das Jahr verteilt sehr gut gelungen. Der stationäre Einzelhandel hat eben nicht für einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen gesorgt. Rückblickend betrachtet gibt es sicherlich noch ein paar Stellschrauben, die wir hätten anders drehen können. Daran arbeiten wir weiterhin, um unser Unternehmen auch auf eine veränderte Zukunft gut vorzubereiten.

Und was haben Sie sich für das aktuelle Jahr für Ihr Geschäft vorgenommen?

Derzeit gibt es innerhalb der Händlerschaft viel Unsicherheit. Der anhaltende Lockdown, eine mögliche Verlängerung auf unbestimmte Zeit und wie wird sich das Infektionsgeschehen – auch mit möglichen Virusvarianten – weiter entwickelt: Es gibt unkalkulierbare Faktoren, die wir kaum beeinflussen können. Daher gibt es mehrere Szenarien in der ersten Jahreshälfte, auf die wir uns derzeit strategisch vorbereiten. Dennoch wollen wir optimistisch den Blick nach vorne richten. Unsere Weichen sind auch 2021 auf Veränderung und Wachstum gestellt und so werden wir ab der zweiten Jahreshälfte unseren POS modernisieren, um ein verändertes Kundenverhalten positiv zu beeinflussen. Außerdem wird der geplante Relaunch des Euronics Logos nun endlich auf den Außenflächen des Gebäudes seinen Platz finden. Natürlich haben wir ebenso die Verlagerung der Kundennachfrage auf dem Schirm und so werden wir mit neuen Warengruppen und veränderten Sortimentsbausteinen auf eine voraussichtlich veränderte Nachfrage reagieren - denn die Zukunft kommt, mit Sicherheit!
 

Dirk Wittmer - Fachhändler aus Ratingen mit Herz, Leib und Seele

Viele Veranstaltungen wurden abgesagt oder finden rein digital statt – und es geht irgendwie auch. Brauchen wir noch Kooperationsveranstaltungen und Messen?

Selbstverständlich hat sich auch bei uns in den letzten Monaten das "Miteinander" verändert. Meetings sowie Veranstaltungen, Mitarbeiterkommunikation und Lieferantengespräche haben auf Distanz stattgefunden. Durch die digitalen Angebote und Möglichkeiten waren diese aber nicht weniger effektiv. Dennoch sind persönliche Begegnungen aus unserer Welt nicht einfach virtuell zu ersetzen. So wird es eine Zeit "nach Corona" geben, in der wir gemeinsam verantwortlich miteinander handeln, Ressourcen schonen und dadurch unnötiges Reisen vermeiden, aber gleichzeitig die soziale Komponente nicht aus den Augen verlieren. Persönliche Begegnungen gehören zum Menschsein!

Was vermissen Sie in Corona-Zeiten am meisten?

Die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen, sowie der Abstand zu geliebten Menschen, Freunden und Geschäftspartnern, hat uns allen gezeigt, wie wichtig Begegnungen für unser Leben sind. Die persönliche Beratung von Kunden, gemeinsame Reisen, Sport, gemütliche Abendessen oder ein persönlicher Gedankenaustausch von Angesicht zu Angesicht fehlen mir genauso sehr wie jedem Anderen. Sicher sind es momentan schwierige Zeiten für eben die kleinen Dinge im Leben. Ich hoffe, dass wir mit den jetzt begonnenen Impfungen und durch unser gemeinsames, sicheres Handeln noch in diesem Jahr eine Rückkehr zu einer "neuen Normalität" erreichen können.

Herr Wittmer, vielen Dank für das Gespräch!

FOTOS: JOHANN+WITTMER

Das Gespräch führte: Joachim Dünkelmann

 Dieser Artikel ist am 2. Febuar 2021 erstmals erschienen in der Printausgabe von hitec Magazin, Ausgabe 1-2/2021.

 

Schlagwörter

Besser durch die Krise, Dirk Wittmer, Johann+Wittmer, Euronics

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