Das Ehepaar Käthe und Eugen Beurer lebte in ärmlichen Verhältnissen, damals 1919 in der Frauenstraße 57 in Ulm. Nach Ende des 1. Weltkriegs stellten sie sich eine einfache Frage: Was können wir mit zwei Nähmaschinen tun, um unser Auskommen zu sichern? Ihre Idee, elektrische Heizkissen als Alternative zur damals weitverbreiteten Bett- und Wärmflasche – zunächst noch im heimischen Schlafzimmer – zu fertigen, mündete noch im gleichen Jahr in die Eintragung eines eigenen Gewerbebetriebs. Der Grundstein für das Unternehmen Beurer war gelegt.
Kerstin Glanzer, Marketingleiterin bei Beurer und seit 2007 im Unternehmen tätig (Foto: Beurer)
Die ersten Jahre des frisch gegründeten Unternehmens hätten härter nicht sein können: unmittelbare Kriegsfolgen, Inflation und eine instabile politische Lage. Wie hat Beurer die Nachkriegszeit überstanden?
Die ersten Jahre stellten das junge Unternehmen vor einige Herausforderungen. Aber allen widrigen Umständen zum Trotz waren Käthe und Eugen Beurer von ihrem Produkt überzeugt, sie hielten an ihrer Vision fest und investierten in die Weiterentwicklung. Vor allem in den Nachkriegsjahren stieg die Nachfrage nach Wärmeprodukten. Durch Patente wie dem Thermostat, dem stufenlosen Temperaturregler, einem vollflächigen Überhitzungsschutz oder der Abschaltautomatik gelang Beurer mit den wärmeregulierenden Heizkissen schließlich der Durchbruch. Aus zwei Nähmaschinen wurden viele, aus dem Schlafzimmer ein stattliches Firmengebäude, das mit dem Aufschwung des Unternehmens immer wieder erweitert wurde. Zunehmend investierte man auch in Markenaufbau und Vertriebsstruktur. Das Sortiment erweiterte sich auf Wärmezudecken, Wärmeunterbetten und Fußwärmer. Im 2. Weltkrieg wurde das Firmengebäude vollständig zerstört. Man entschied sich für einen Wiederaufbau in der Söflinger Straße 218 in Ulm. Bis heute befindet sich hier der Hauptsitz von Beurer.
Beurer wäre heute nicht das, was es ist, ohne Dr. Hans-Dieter Bühler. Können Sie uns mehr über ihn erzählen?
Im Bereich ‚Schmiegsame Wärme' sind wir Weltmarktführer. Doch nur mit Wärmeprodukten wäre ein langfristiger Erfolg schwierig gewesen. Dr. Hans-Dieter Bühler, der Vater des heutigen Geschäftsführers Marco Bühler, gelang Ende der 80er Jahre ein großer Schritt in Richtung Sortimentsausbau. Mit der aufkommenden Fitnessbewegung hat er schnell erkannt, dass der Gesundheitsmarkt zu Beurer passt. So wurden unter der Kategorie ‚BodyFit' Massageprodukte, Infrarotlampen und Blutdruckmessgeräte aufgenommen. Über die Jahre wuchs diese Sparte immer rasanter und bis jetzt machen Produkte aus diesem Bereich einen Großteil des Umsatzes aus. Seit den 90er Jahren sind zudem Beautyprodukte im Sortiment zu finden und auch das Medical-Angebot wurde weiter ausgebaut. Heute, einhundert Jahre nach der Gründung, ist aus dem schwäbischen Familienbetrieb ein weltweit operierendes Unternehmen mit über 1000 Mitarbeitern, 14 Tochtergesellschaften, 500 Produkten und eigener App-Welt geworden.
Der Katzenkopf hat 70 Jahre lang das Erscheinungsbild von Beurer geprägt. Wie kam es Mitte der 90er zu der Entscheidung, sich von der Bildmarke zu trennen?
Der Katzenkopf ist mit dem Erfolg von Beurer eng verbunden. Damals vereinte das Logo alle Eigenschaften, die man von den Produkten erwartete: Wärme, Behaglichkeit und Wohlbefinden sollten auch die Besitzer eines Beurer Heizkissens spüren. Bis zum Beginn der 90er Jahre verrichtete der Katzenkopf im Logo treue Dienste auf Plakaten, Flyern und Katalogen. Grund für den Abschied war die Erweiterung des Sortiments, das nun auch viele Produktgruppen umfasste, die nicht mehr unmittelbar mit dem Katzenkopf in Verbindung standen.
Prägte 70 Jahre lang das Erscheinungsbild von Beurer: der markante Katzenkopf (Foto: Beurer)
Beurer sorgt mit innovativen Geräten, wie aktuell dem Meeresklimagerät „maremed", regelmäßig für Aufsehen. Wo entstehen die Ideen für all die neuen Produkte?
Im Prinzip können Ideen überall entstehen – aus einer Inspiration im Alltag, strategischen Ansätzen, einem interessanten Kundengespräch oder einer Notwendigkeit heraus. Im Falle von unserem patentierten Meeresklimagerät können wir uns dem Thema Luftverschmutzung als gesellschaftlichem Problem und damit verbundenen Atemwegserkrankungen annehmen. Wir möchten Betroffenen endlich Abhilfe schaffen und ermöglichen mit ‚maremed' die Meereskur für zu Hause. Im vergangenen Jahr konnten wir mit dem ‚stress releazer', einem Entspannungshelfer und Atemtrainer, dem ‚cellulite releazer' für effektive Anti-Cellulite-Massage und unserem ‚EM 95 – EMS homestudio' sogar drei Weltneuheiten auf den Markt bringen. So etwas macht uns natürlich besonders stolz.
Betreibt Beurer ein eigenes Zentrum für Forschung und Entwicklung?
Beurer war schon immer Vorreiter, wenn es darum geht, neue Trends zu erkennen und aufzugreifen. Dabei setzen wir stark auf unsere eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Etwa 50 Ingenieure und Produktmanager arbeiten in Ulm stetig daran, bestehende Produkte zu verbessern und neue Ideen umzusetzen. So konnten wir auf der diesjährigen IFA in Berlin wieder über 60 Neuheiten präsentieren.
Mit „Barbers Corner" präsentierte Beurer auf der IFA seine ersten Bart- und Körperpflege-Geräte für den Mann. Wie will sich Beurer in diesem Segment langfristig positionieren?
Mit unserer ‚Barbers Corner' möchten wir eine junge, moderne Zielgruppe ansprechen, die Wert auf ein gepflegtes Auftreten, aber auch hohe Qualität legt. Die neue Range besteht aus sechs Bart- und Haarstylingprodukten, die nicht mit den Geräten der großen Marken konkurrieren, sondern vielmehr ein eigenes Image kreieren sollen. In schönem und maskulinem Design werden der Präzisionstrimmer, der Bartstyler, ein Haarschneider, ein Body Groomer sowie Folien- und Rotationsrasierer ab Dezember 2019 im mittleren Preissegment erhältlich sein.
Die Menschen mit wohliger Wärme versorgen - das war die Vision des Ehepaar Beurer (Foto: Beurer)
Wellbeing, Medical, Beauty, Baby oder Active – in den vergangenen Jahrzenten hat sich Beurer immer wieder neue Segmente zu Eigen gemacht. Was dürfen wir in der Zukunft noch erwarten?
Digitalisierung ist und bleibt ein großes Thema. Dieser Bereich schafft viele Möglichkeiten zur Prävention, Kontrolle und Therapie. Beurer setzt mit den ‚Connect'-Produkten neue Akzente im digitalen Gesundheitsmarkt. Etwa 20 Prozent unseres Sortiments sind inzwischen vernetzt, darunter Waagen, Blutdruckmessgeräte, Aktivitätssensoren oder Luftreiniger. Wir bieten mittlerweile 15 Beurer-Apps an, die von einem eigenen Team entwickelt und betreut werden. Auf diese digitale Zukunft werden wir uns auch weiterhin verstärkt konzentrieren. Außerdem investieren wir aktuell auch in einige Kooperationen mit Start-Ups. Die frischen Ideen gepaart mit unserem Know-how ergeben eine unschlagbare Kombination für die Zukunft und öffnen uns neue Nischen.
Vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch, Frau Glanzer.
Redaktion: Maximilian Schmidt