AO
"Das neue Normal"

Ist der Lockdown eine Art Förderprogramm für den Online-Handel? Der im Jahr 2000 gegründete Online-Elektrohändler ao.com ist seit 2014 auch in Deutschland aktiv. Im Gegensatz zu vielen anderen Onlinern setzen die Bergheimer weniger auf den Preis, sondern auf „exzeptionellen Service“. hitec sprach mit Christian Thieme, General Manager AO Deutschland, über Amazon, eBay, Rakuten und den stationären Handel.
 

hitec: Herr Thieme, Corona-Zeiten sind Onliner-Zeiten - stimmt das?

Christian Thieme: Bereits vor Corona haben wir eine stetig steigende Nachfrage nach unseren Produkten und Services beobachten können. Diese Nachfrage ist tatsächlich in den vergangenen Monaten signifikant weiter gestiegen. Die Pandemie hat das Kundeverhalten insofern beeinflusst, als dass Onlineshopping wichtiger für sie geworden ist. Wir haben innerhalb von fünf Wochen eine Veränderung gesehen, die sonst fünf Jahre gedauert hätte. Jetzt haben wir die Möglichkeit, Einkaufen bei ao.de zu einer Gewohnheit zu machen, die für unsere Kunden von Dauer ist. Wir sind sehr stolz darauf, unsere Kunden dabei unterstützen zu können, sicher und zufrieden durch diese schwierigen Zeiten zu kommen, indem wir ihnen weiterhin unsere großartigen Serviceleistungen anbieten. Die Integration der neusten Hygienestandards ist dabei für uns sehr wichtig, um größtmögliche Sicherheit für alle Beteiligten zu gewährleisten.

Wie entwickelt sich das Geschäft von AO in Deutschland?

Sehr gut! Erst kürzlich haben wir das erste Halbjahr des Geschäftsjahres 2020/21 abgeschlossen. Hierzu können wir berichten, dass wir in diesen letzten sechs Monaten in Deutschland ein unglaubliches Wachstum beobachten konnten. Im November haben wir darüber hinaus auch das zweimillionste Gerät verkauft. Das alles ist das Ergebnis davon, dass wir im letzten Jahr unser Geschäft in Deutschland komplett transformiert und dabei eine solide Grundlage für dieses Wachstum geschaffen haben. Diese Transformation beruht auf unserem „One AO"-Ansatz, bei dem wir kurz gesagt noch stärker als bisher das vorhandene Know-how unseres britischen Mutterkonzerns genutzt haben, uns stärker mit unseren Geschäftspartnern verbunden und uns besonders auf unsere Kompetenzen im Servicebereich fokussiert haben. Mit unserer Serviceorientierung konnten wir im vergangenen Jahr auch andere Unternehmen überzeugen, die nun ebenfalls von unserer Expertise im Bereich der Auslieferung von Großgeräten profitieren. Wir haben großes Vertrauen in das weitere Wachstum unseres Unternehmens und sehen den Entwicklungen der nächsten Jahre mit viel Enthusiasmus entgegen.


„Wir haben innerhalb von fünf Wochen eine Veränderung gesehen, die sonst fünf Jahre gedauert hätte. Jetzt haben wir die Möglichkeit, Einkaufen bei ao.de zu einer Gewohnheit zu machen, die für unsere Kunden von Dauer ist", so AO Deutschland-Chef Christian Thieme

Auf Ihrer Homepage präsentieren Sie sehr auffällig wie viele Produkte verfügbar sind, meist zwischen drei und vier Tausend. Ist das Angebot - beispielsweise im Vergleich zu MediaMarkt und Saturn - nicht zu klein?

Wir präsentieren auf unserer Homepage ein sehr sorgfältig ausgewähltes Sortiment und fokussieren uns dabei sehr stark auf die Qualität der Darstellung und die umfassende Information unserer Kunden. Besonders wichtig ist uns der Fokus auf unseren exzeptionellen Service, den wir als unser Alleinstellungsmerkmal betrachten. Wir haben in den letzten sechs Jahren gesehen, dass dieses Vorgehen bei unseren Kunden hohen Anklang findet. Daher vergleichen wir die Quantität unseres Angebotes nicht mit der unserer Mitbewerber, da es sich dabei um verschiedene Geschäftsmodelle handelt. Wir sind sehr zufrieden mit der Qualität und Quantität unseres Sortiments, arbeiten aber natürlich auch kontinuierlich an der Optimierung und dem Ausbau, wenn das mit unserem Konzept übereinstimmt.

Einer Ihrer Wettbewerber, die japanische Plattform Rakuten, hat sich hierzulande aus dem E-Commerce-Bereich zurückgezogen. Wie groß muss man sein, um gegen Amazon zu bestehen?

Unser Vorteil ist, dass wir gar nicht versuchen gegen Amazon zu bestehen. Vielmehr müsste die Frage vielleicht lauten, wie man auch mit Amazon am Markt erfolgreich bleiben kann. Wir selbst vertreiben unsere Ware beispielsweise ebenfalls zum Teil über Amazon. Unterschiedliche Kunden haben unterschiedliche Ansprüche. Manche kaufen nur bei Amazon, durch unsere Präsenz dort können wir auch diesen Kunden unsere Produkte anbieten. Viele kaufen aber auch nicht bei Amazon. Wir unterscheiden uns in wesentlichen Bereichen, unter anderem in der Verfügbarkeit der Serviceleistungen. Für diese Kunden sind wir sehr gut aufgestellt und diese Differenzierung trägt dazu bei, dass wir erfolgreich weiter wachsen werden.


Die britische Unternehmenszentrale AO Parkland, Bolton

Bei eBay wird das B-Ware-Center ausgebaut und geprüfte Gebrauchtware forciert. Bewerten Sie das als Wachstumsmarkt?

Der Umgang mit Rückläufern und der Reverse Logistics generell war in den letzten Jahren immer wieder Thema in der Presse und spielt natürlich auch bei uns eine große Rolle. Wir begrüßen daher den Fokus von eBay auf dieses Segment, da sich dadurch für uns eine Möglichkeit eröffnet, unseren Kunden über einen weiteren Kanal Zugriff auf unsere hochwertige B-Ware zu ermöglichen.

Ein sehr großer Teil des Geschäftes von Amazon ist der Marketplace. Muss sich AO auch als Plattform aufstellen, um künftig erfolgreich zu sein?

Nein, das sehen wir nicht. Gerade bei höherpreisigen Investitionen sucht der Kunden nach der für ihn bestmöglichen Konstellation in Bezug auf Preis, Services und Experience. Um erfolgreich zu sein und relevant zu bleiben, müssen wir uns natürlich immer wieder auf unsere Kunden einstellen und justieren. Unser Anspruch ist es, DIE Adresse für Elektrogeräte zu werden. Hier sind wir, gerade im Rahmen von One AO bestens aufgestellt, unsere Kunden schätzen unsere Produkte und Dienstleistungen.

Sehen Sie den Einzelhandel als Wettbewerber und wie sehen Sie überhaupt die Zukunft des Fachhandels?

Wie schon vorab erwähnt haben wir in den letzten Monaten eine Entwicklung erlebt, die man sonst über fünf Jahre hinweg erwarten würde. Die vergangenen Monate haben uns gezeigt, dass Kunden willens sind, auch erhebliche Investitionen online zu tätigen und dass immer mehr Kunden die Vorteile des Online-Einkaufs von Haushalt- und Elektrogeräten erkennen. Kunden nutzen das Internet nicht nur als die Möglichkeit, Produkte und Services zu recherchieren, sondern entscheiden sich einfach auch immer häufiger für den Kauf, der es ihnen auch ermöglicht, ausgewählte Dienstleistungen ganz bequem von Zuhause aus auszuwählen. Hier erwarten wir auch in der Zukunft weiterhin eine positive Entwicklung.


Ausliefern: Ja. Eigene Läden: Nein? Aber in Großbritannien gibt es Shop-in-Shop-Lösungen ...

Wird es von AO in Zukunft in Deutschland stationäre Läden, Abholstationen oder Servicepunkte geben?

Gegenwärtig konzentrieren wir uns entschieden auf die Erweiterung unserer Online-Präsenz. Sie haben vielleicht gehört, dass AO in Großbritannien eine Partnerschaft mit der Supermarktkette Tesco eingegangen ist, wo nun auch stationär Haushaltsgeräte von AO verkauft werden. Im Rahmen von One AO werden wir in der Zukunft vielleicht sehen, ob es in Deutschland vergleichbare Möglichkeiten gibt – aber für die absehbare Zukunft sehen wir unseren Fokus ganz eindeutig Online, um dort mehr und mehr deutsche Kunden zu erreichen.

Herr Thieme, vielen Dank für das Gespräch!

FOTOS: AO

Das Gespräch führte: Joachim Dünkelmann

 Dieser Artikel ist am 8. Dezember 2020 erstmals erschienen in der Printausgabe von hitec Magazin, Ausgabe 12/2020.

Schlagwörter

"Das neue Normal", AO, ao.de

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